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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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silbernen Augen.
    Das war nicht der Priester von San Lorenzo.
    Es war der Aussätzige.
    Diese Erkenntnis riss mich aus meiner Erstarrung. Blitzschnell wie eine Katze huschte ich zu der Geheimtür zurück. »Er kommt«, zischte ich. » Weg hier !« Für Erklärungen blieb keine Zeit, mochte Bruder Guido nur denken, dass ich nichts Schlimmeres fürchtete, als von einem neugierigen Priester überrascht zu werden. Ich zerrte an dem Haarring. Die Pforte öffnete sich und gab den Blick auf eine sich abwärtswindende Treppe frei. Als Bruder Guido und ich die Stufen hinuntereilten, schloss sich die Tür wieder geräuschlos, und zwar so vollständig, dass kein Lichtstrahl mehr unserem Verfolger verraten würde, wohin wir geflohen waren. Ich stellte mir vor, wie der Aussätzige überall in der dämmrigen Kirche nach uns suchte und sich unser spurloses Verschwinden nicht erklären konnte. Eigentlich hätte ich Erleichterung empfinden müssen: Wir hatten die gespenstische Gestalt getäuscht, die uns auf den Fersen war, indem wir uns praktisch in Luft aufgelöst hatten. Aber stattdessen wuchs meine Nervosität mit jeder Sekunde; ich konnte die silbernen Augen und die darin glitzernde tödliche Drohung nicht vergessen. Wir stiegen tiefer und tiefer, direkt in den Hades hinab, aber davor hatte ich keine Angst; wir ließen jemanden über uns zurück, der mir weit größeres Entsetzen einflößte.
    Am Fuß der Treppe erstreckte sich eine riesige Höhle vor uns, eine Kathedrale aus Felsgestein. Nach Atem ringend blieben wir stehen und blickten uns um. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte - einen verborgenen Schatz vielleicht oder die anderen Mitglieder der Sieben, die beim gemeinsamen
Würfelspiel saßen, aber bestimmt keine düstere Höhle, in der es kälter war als zu Lichtmess und feuchter als zu Pfingsten. »Glaubt Ihr, Don Ferrante wollte, dass wir diese... Höhle entdecken?«, fragte ich.
    »Das ist keine Höhle«, berichtigte er mich. »Seht genauer hin. Dieser Ort wurde nicht von der Natur, sondern von Menschenhand geschaffen. Seht Ihr die Säulen dort und dort? Und den Brunnen und die römische Arkade?«
    Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich, was er meinte, denn überall sah ich Umrisse und Überreste einer versunkenen Stadt. »Wo sind wir hier?«
    »An einem Ort, der einst als neue Stadt bezeichnet wurde und heute die alte ist. Neapolis, das römische Neapel.«
    Voller Staunen erkundeten wir diese unterirdische Welt. Meine Nackenhaare stellten sich auf, als wir durch Straßen schritten, an den Säulen eines Marktes vorbeikamen, Eisenringe entdeckten, an denen einst Pferde angebunden worden waren, und zu Bögen aufblickten, die sich über uns wölbten. Alles wurde von einem schwachen grünlichen Licht erhellt, das von irgendwo vor uns zu kommen schien. Ich trottete hinter dem Mönch her und bemühte mich, den Abstand zwischen uns nicht zu groß werden zu lassen. »Glaubt Ihr, diese geheime Stadt ist nur den Sieben bekannt?«
    »Ja«, kam es knapp zurück.
    »Warum seid Ihr so sicher, dass niemand sonst auf den Gang gestoßen ist?«
    Er blieb so abrupt stehen, dass ich beinahe gegen ihn geprallt wäre. »Wegen Fiammettas Schmuck«, erwiderte er. »Ich vermutete, er wurde aus mehreren Gründen dort aufgehängt. Erstens ist er ein Wegweiser für alle, die das Bild entschlüsseln können - id est: Mitglieder der Sieben.«
    Ich überging das Latein, begriff aber, was er meinte.
    »Zweitens ist es ein Weg, die Geheimtür zu sichern, denn sollte sie zufällig von einem gewöhnlichen Dieb oder Vagabunden entdeckt werden, würde dieser sofort den Anhänger stehlen,
denn er ist sehr kostbar, und dann schnellstmöglich wieder verschwinden. Die Sieben setzen sich, wie ich hoffentlich irgendwann einmal beweisen kann, ausschließlich aus Männern von hohem Rang zusammen, aus Königen und Fürsten. Ihre Mitglieder lassen den Schmuck an seinem Platz hängen, wenn sie durch die Geheimtür gehen. Wenn er eines Tages nicht mehr dort ist, wissen Don Ferrante und seine Mitverschwörer, dass etwas nicht stimmt - dass ihr Geheimnis gelüftet ist und sie auf der Hut sein müssen.«
    »Was wollen sie denn nur so dringend schützen? Wozu diese ganze Geheimniskrämerei?«
    »Lasst uns versuchen, das herauszufinden. Es muss ein Weg durch diese Stadt führen«, folgerte Bruder Guido. »Von irgendwo her muss das Licht ja kommen.«
    Ich fand die alte Stadt zwar unheimlich - ein Heim derer, die schon lange tot waren -,

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