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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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nicht, dass uns von ihm keine Gefahr droht.«
    »Und wer hat Enna und Bembo und Bruder Remigio damals am Brunnen und mit Sicherheit auch Euren Onkel getötet?«, hielt ich ihm hitzig entgegen.
    Er erbleichte. »Ich habe nie bestritten, dass es sich in allen Fällen um Mord gehandelt hat, das wisst Ihr. Ich glaube nach wie vor, dass jemand denkt, wir hätten das Geheimnis des Bildes entschlüsselt, und uns aus diesem Grund aus dem Weg räumen will.«
    »Was ist denn Eurer Meinung nach mit diesen Attentätern geschehen?«
    »Wir haben sie auf der Reise nach Neapel abgehängt. Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass sie uns über das Meer gefolgt sind, denn wir kannten unser Ziel ja selber nicht. Und selbst wenn sich jemand an Bord geschmuggelt haben sollte - das Flaggschiff ist mit Mann und Maus untergegangen.«
    »Aber der Rest der Flotte ist wohlbehalten hier eingetrof fen.« Ich nickte viel sagend zu den Schiffen hinüber.
    Er drehte sich zu mir um. Seine blauen Augen umwölkten sich. »Also gut. Wenn ich mich überzeugen lasse, dass uns oben in der Kirche der sichere Tod erwartet, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als über den Seeweg von hier zu verschwinden. Könnt Ihr schwimmen?«
    Ich nickte atemlos. »Ihr auch?«
    »Nein.«
    »Ach du heilige...« Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, ihn zu fragen, wie ein junger Edelmann an der Küste hatte aufwachsen können, ohne schwimmen zu lernen. Wie sollte ich ihm klarmachen, dass ich mich freudigen Herzens in die blauen Fluten stürzen würde, deren Wellen sich vor dem
Höhleneingang brachen? Dass ich lieber das Risiko eingehen würde, dass wir beide ertranken, als in die dunkle Gruft über uns zurückzukehren und noch einmal in die silbernen Augen des mysteriösen Aussätzigen blicken zu müssen, der uns so unerbittlich verfolgte? »Wir haben keine andere Wahl«, beharrte ich störrisch. »Dann müssen wir eben eine Barke oder etwas Ähnliches stehlen.« Doch insgeheim musste ich mir eingestehen, dass wir keine Chance hatten, denn das Meer hatte sich innerhalb weniger Momente verändert. Jetzt türmten sich tückische kobaltblaue Wellen vor unseren Augen auf und donnerten gegen das Felsgestein. Wir würden mitgerissen und von der tosenden See verschlungen werden, ob wir nun schwimmen konnten oder nicht. Ich nahm Bruder Guido am Arm. Wir schlugen einen Bogen um die Flotte und blieben am Ufer stehen. Gischt benetzte unsere Stiefel. »Wir sitzen in der Falle«, räumte ich düster ein.
    »Nicht unbedingt«, widersprach Bruder Guido. »Wir können in die Kirche zurückgehen und es mit diesem seltsamen Aussätzigen aufnehmen, falls er wirklich dort auf uns wartet. Die Zeit wird knapp, wir müssen uns beeilen, sonst bricht die königliche Reisegesellschaft ohne uns gen Norden auf.«
    Ich wusste, dass er recht hatte, doch meine Angst war so erdrückend wie das Gewicht meiner sich allmählich mit Meerwasser vollsaugenden Samtröcke. Als ich mich umdrehen wollte, stolperte ich und fiel auf die Knie, wehrte aber die Hand des Mönchs ab, der mir aufhelfen wollte. Da ich ohnehin schon auf den Knien lag, konnte es ja nicht schaden, rasch um ein Wunder zu beten, das mir die Rückkehr in die Kirche und den Anblick dieser gespenstischen silbernen Augen ersparte.
    Nun wisst ihr ja inzwischen, dass Beten nicht zu meinen festen Gewohnheiten gehört, ich bin nämlich davon überzeugt, dass der Herr, falls er einmal einen freien Moment haben sollte, diesen nicht gerade an ein verlorenes Schaf wie mich verschwenden würde. Doch das Unglaubliche trat ein: Das
erflehte Wunder geschah. Die entfesselten Elemente beruhigten sich schlagartig, Stille trat ein, und dann begann das Wasser zurückzuweichen, weiter und immer weiter, bis es am Horizont verschwunden war. Wir sahen uns verdutzt an.
    »Gott hat uns den Weg geebnet.« Bruder Guido lächelte. »Er hat das Wasser verdrängt, wie er es einst für Moses getan hat.«
    Ich hatte mich zwar bis zum heutigen Tag nie für einen zweiten Moses gehalten, aber mein Begleiter hatte recht. Das Wasser war fort und hatte zwischen Himmel und Erde nur eine ruhige blaue Linie zurückgelassen.
    »Schon gut«, unterbrach ich seine biblischen Vergleiche. »Nichts wie weg hier!«
    Die Schiffe auf dem verborgenen See hinter uns sanken immer tiefer, Planken und Taue knirschten und knarrten protestierend. Nur das natürliche Wasserreservoir der riesigen Höhle, das von den Felsen am Eingang am Abfließen gehindert wurde, bewahrte sie davor, auf

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