Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
Handschuhe auf einem Verkaufstisch vor dem Laden ausbreitete, nickte ihnen zu. Der Gewitterguss der vergangenen Nacht hatte die Gasse in Schlamm verwandelt. Überall waren riesige Wasserlachen und Matsch.
»Ist es weit?«, fragte Tommy, der gerade einer großen Pfütze auswich.
»Ach was«, erwiderte Eliza. »Ist nur um die Ecke. Kannst du die Musik nicht hören?«
Gleich nach der Kirche bogen sie in eine breite Straße ein. Rechts lag die London Bridge, die einzige Brücke über die Themse und damit vom Süden her der einzige Zugang in die Stadt, es sei denn man reiste per Boot auf dem Fluss. Am anderen Ende der Straße war über Nacht eine Budenstadt aus dem Erdboden geschossen. Jedes Jahr Anfang September wurde hier ein Abschnitt der Straße gesperrt. Dann errichteten dort Händler, Spielleute und Jahrmarktsvolk ihre Zelte und Bretterbuden.
»Hier ist aber viel los.« Tommy blickte besorgt einem riesigen Schwein nach, das an einer Gruppe von Männern vorbeitrabte und genau in der Mitte der Straße stehen blieb. In einer Gosse floss dort Abwasser, in das Anwohner überdies ihre vollen Nachttöpfe und anderen Abfall geleert hatten. Das Tier machte sich zufrieden grunzend über Gemüseabfälle her, ohne den Trubel zu beachten.
Zwar herrschte hier auf der Hauptstraße immer viel Betrieb, doch so viel wie zur Jahrmarktszeit war sonst tatsächlich nie los. Kutschen, die gewöhnlich vorüberfuhren, würden heute im Gedränge stecken bleiben. Selbst als Fußgänger kam man nur im Schneckentempo voran, denn nicht nur die Städter, sondern auch Bauern vom Land waren unterwegs. Keiner wollte den Spaß versäumen.
»Welchen Trick sollen wir Tommy zuerst zeigen?«, fragte Eliza, während sie vergnügt neben den beiden Jungen herhüpfte. Doch Jack gab keine Antwort. Er hatte im Getümmel einen roten Haarschopf entdeckt.
»Ned!« Wie war das möglich? Nur ein Stück die Straße entlang lief sein Bruder, so als sei nichts geschehen. Seine feuerroten Haare glühten in der Morgensonne. Munter unterhielt er sich mit einem fremden Mann, der ihn an der Hand hielt. »Ned! Bleib stehen!« Doch Ned reagierte nicht.
»Pass gefälligst auf, wo du hingehst!« Jack war um ein Haar mit einem eleganten Herrn mit Spitzenkragen und Federhut zusammengestoßen.
»Verzeihung«, rief er im Laufen. Nur noch ein paar Schritte, und er hatte seinen Bruder eingeholt. Was war nur los mit ihm? War er plötzlich taub?
»Ned!« Er packte ihn an der Schulter.
»He, was soll das!«
Erschrocken ließ Jack den Jungen los. Zwar hatte er ebenso rote Haare wie Ned und war genauso groß, doch ansonsten glich er ihm nicht.
»Ich dachte, du bist ...«, begann Jack, als eine Faust auf ihn zukam. Nur im letzten Augenblick konnte er ausweichen.
»Ich kenne eure Tricks!« Der Begleiter des fremden Jungen,vermutlich sein Vater, holte schon wieder wütend mit der geballten Faust aus. »Tut freundlich, als würdet ihr uns kennen. Doch alles nur, um uns abzulenken. Und kaum versieht man sich, habt ihr unsere Taschen geleert. Aber ich habe euch Beutelschneider durchschaut. Verschwinde auf der Stelle oder ich rufe die Wache.«
Jack wandte sich enttäuscht ab. Sah er jetzt schon Gespenster? Er sollte sich besser um Eliza und Tommy kümmern und mit der Arbeit beginnen. Der Neue stand am Straßenrand. Doch Eliza war nirgendwo zu sehen.
»Wo ist Eliza?«
Tommy zuckte mit den Achseln. Von der Brücke strömten Männer, Frauen und Kinder Richtung Jahrmarkt. Eliza blieb spurlos verschwunden.
Ankunft in London
Samstag, 7. September 1619
Es dämmerte bereits, als Alyss am südlichen Stadtrand von London ankam. Obwohl sie eine Weile auf dem Karren eines Händlers mitgefahren war, hatte die Reise ewig gedauert. In ihrer Erinnerung war die Strecke viel kürzer gewesen. Aber damals, als sie vor drei Jahren mit ihrem Vater nach London gekommen war, um die indianische Prinzessin zu besuchen, hatten sie die ganze Strecke per Kutsche zurückgelegt. Staubig, erschöpft und müde, wäre sie jetzt am liebsten auf der Stelle eingeschlafen, doch so kurz vor dem Ziel durfte sie nicht aufgeben. Inzwischen erstreckten sich am Straßenrand keine Felder und Wiesen mehr, sondern Häuser, die dichter und dichter zusammenrückten. Wenn sie von hier immer geradeaus weiterging, würde sie bald die Brücke erreichen, die über die Themse in die Stadt führte. Sir Christophers Haus lag irgendwo auf der anderen Seite. Zwar hatte sie Vaters Zettel mit den genauen Anweisungen in Hatton Hall
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