Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
vom Fuß zu ziehen, da der Knöchel dick angeschwollen war. Zudem war er bläulich verfärbt, als hätte sie ihn mit Heidelbeersaft eingerieben.
»Mist!«, fluchte sie zwischen den Zähnen. Wie sollte sie damit durch London humpeln, um den Salamander zu Sir Christopher zu bringen? Das würde sie nie schaffen. Der Salamander! Plötzlich fiel ihr wieder ein, was gestern auf dem Jahrmarkt passiert war. Panisch griff sie nach ihrem Gürtel, doch der Beutel mit dem Salamander blieb verschwunden. Vor ihrem inneren Auge tauchte kurz das Traumbild wieder auf. Der Vater, der ihr vom Schiff aus zuwinkte. Seit dem Schiffbruch hatte sie den gleichen Traum immer wieder geträumt, allerdings war es heute das erste Mal gewesen, dass ihr Vater ihr etwas zugerufen hatte.
»Bring den Salamander nach London! Sei wachsam und pass auf, dass er nicht verloren geht!« Tränen stiegen ihr in die Augen. Wie der Vater war jetzt auch der Salamander spurlos verschwunden. Sir Christopher, der Freund ihres Vaters, war ihre einzige Hoffnung gewesen, Hatton Hall zu retten und Onkel Humphreys Pläne zu unterbinden. Doch sie war nachlässig gewesen und hatte nicht auf den Salamander aufgepasst. Würde ihr Sir Christopher auch ohne das Kennzeichen helfen? Sie fing an, still zu weinen.
»Al w...weint«, stotterte das Monster.
Inzwischen hatte sich der wilde Mann neben Alyss gekniet und nach ihrem Knöchel gegriffen. Eigentlich wollte sie auf keinen Fall, dass der Menschenfresser sie berührte, doch er hatte ihren Fuß bereits mit beiden Händen umfasst. Prüfte er etwa, wie zart ihr Fleisch war? Der Wilde tastete ihren Knöchel behutsam ab.
»Ich muss weg von hier.« Alyss wischte sich mit dem Hemdärmel die Tränen weg und wollte aufstehen. Doch der Mann hielt immer noch ihren Fuß.
»Keine Angst«, meinte er. »Dein Knochen ist nicht gebrochen. Nur verstaucht. Ich habe eine Salbe gegen die Schwellung und eine Medizin gegen den Schmerz.« Er stand auf und griff in eine mit Muscheln bestickte Ledertasche, die an einem Haken an der Wand hing, und zog einen kleinen Napf hervor. Kurz darauf rieb er eine braune Salbe in Alyss’ verletzten Knöchel. Danach streute er Pulver in einen Becher mit Wasser und reichte ihn dem Mädchen.
»Trink«, befahl er ihr. »Dann fühlst du dich bald besser.«
Alyss leerte den Becher gehorsam. Die Flüssigkeit tat ihrem ausgetrockneten Hals gut. Dann kamen ihr plötzlich Zweifel. Wie konnte sie so einfältig sein und den Becher einfach leer trinken? Doch es war zu spät. Sie hatte ihn bis auf den letzten Tropfen geleert. Aurelia, die währenddessen aus einer Truhe einen Stoffstreifen hervorgezaubert hatte, begann gleich danach, das Bein des Mädchens bis zur Wade fest zu umwickeln. Die Fee war Alyss sympathisch.
»Bist du wirklich eine Feenprinzessin?«, fragte sie die kleine Frau, die gerade das Ende des Verbands zwischen die Zähne nahm, es zu zwei Zipfeln zerriss und damit den Verband verknotete.
Aurelia lachte hell. »Die Flügel sind nur angenäht«, erklärte sie. »Sassa ist der einzige von uns, der aristokratisch ist. Er ist sogar mit einer richtigen Prinzessin verwandt und wurde von König James persönlich empfangen. Stell dir das mal vor! Ich selber komme nur aus einem Dorf in Yorkshire. Meine Eltern haben mich an einen Wanderzirkus verkauft. Sie dachten wohl, dass ich auf dem Hof nur im Weg bin und nicht richtig mitanpacken kann. Irgendwann bin ich dann bei Master Tubney gelandet. Egal, mir macht’s Spaß, mit dem Jahrmarkt durchs Land zu ziehen. Da wird’s einem nie langweilig.« Zufrieden musterte sie den Verband. »Laufen kannst du wohl zunächst nicht damit.«
»Aber das geht nicht«, erwiderte Alyss bestimmt. Auch wenn der Salamander weg war, musste sie noch heute zu Sir Christopher. Sie stand auf, um zum Ausgang zu humpeln, doch der Schmerz war unerträglich. Resigniert ließ sie sich wieder aufs Stroh fallen.
»Du kannst erst mal hier bei uns bleiben«, bot Aurelia ihr an. Aber der Riese wiegte seinen massigen Schädel besorgt hin und her.
»Tu...Tubney«, wandte er ein.
»Ach was, Hector, der Alte braucht gar nichts davon zu erfahren«, erwiderte die falsche Fee. »Der kommt doch nur ganz selten hier rein. Er und seine Frau schlafen im Wagen neben der Bude«, fügte sie für Alyss erklärend hinzu.
Alyss überlegte. Sie fühlte sich mit einem Mal unglaublicherschöpft, obwohl sie doch die ganze Nacht geschlafen hatte. Zudem war ihr plötzlich schwindlig. Solange Onkel Humphrey nicht
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