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Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)

Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renée Holler
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Ende. Der Direktor und seine Schausteller verbeugten sich, und die Zuschauer begannen, auf den Ausgang der Bude zuzuströmen. Dabei konnte Alyss einige Gesprächsfetzen aufschnappen.
    »Das war den Penny wert«, erklärte ein junger Mann.
    »Und ob«, erwiderte ein anderer. »Viel besser als die Meerjungfrau in der Bude neben der Wahrsagerin. Ihr Schwanz war nur angeklebt.«
    »Tatsächlich?«
    Der andere nickte. »Ich habe sie nach der Schau mit zwei Beinen herumspazieren sehen. Zwar hatte sie ihre grüne Perücke abgelegt, doch ich habe ihr Gesicht erkannt.«
    »Du solltest dein Geld zurückverlangen«, war das Letzte, was Alyss den jungen Mann noch sagen hörte, bevor seine Stimme vom Gemurmel der anderen Besucher verschluckt wurde.
    »Ich gehe noch kurz in die Schenke«, kündigte Tubney gleich darauf seinem Personal an. »Räumt auf und richtet die Bühne für morgen her. Meine liebe Gattin hat mal wieder Kopfweh und hat sich bereits schlafen gelegt. Stört sie nicht.« Er drängte sich an den Zuschauern vorbei auf die Straße hinaus.
    Obwohl noch nicht alle Besucher den Raum verlassen hatten, fingen die drei Schausteller an, die Bühne aufzuräumen. Alyss erwog gerade, ob sie ihnen helfen oder sich lieber in den Seitenraum zurückziehen sollte, als sie im Gedränge am Ausgang einen roten Haarschopf entdeckte. Der Junge, der sie gestern angerempelt und ihren Beutel gestohlen hatte, hatte die gleichen feuerroten Haare. Aber London war eine großeStadt. Der Zufall wäre zu groß, ihn hier wiederzusehen. Jetzt schob er sich dicht hinter den Mann, der seinem Freund von der falschen Meerjungfrau erzählt hatte. Zuerst sah es so aus, als ob er sich an ihm vorbeidrängen wollte, doch dann erkannte Alyss, was der Junge vorhatte. Zwischen seinen Fingern, kaum sichtbar von den langen Hemdärmeln verborgen, sah sie die Spitze eines Messers blinken. Der Dieb! Er war schon wieder dabei, einen ehrlichen Menschen zu bestehlen. Und bevor es dem Jungen gelang, den Beutel des Mannes abzuschneiden, war sie durch den Perlenvorhang in den Raum gestürzt. Obwohl jeder Schritt schmerzhaft war, hinkte sie so schnell sie konnte um die Bänke herum auf den Jungen zu.
    »Haltet den Dieb!«, rief sie. »Haltet den Dieb!«

In der Patsche

    Sonntag, 8. September 1619
    Das war nun wirklich das Allerletzte. Wie konnte er nur so unvorsichtig sein und sich schnappen lassen? Wie eine Fliege im Spinnennetz saß Jack jetzt hier im Zelt hinter der Bude fest. Wenn es doch nur einen Fluchtweg gäbe. Doch der hässliche Riese mit dem schiefen Mund hatte sich vor dem Rückausgang aufgebaut, und der halbnackte Wilde stand vor dem Perlenvorhang, durch den sie ihn vom Zuschauerraum in den rückwärtigen Teil der Schaubude geschleppt hatten. Vermutlich lief dem Menschenfresser bereits das Wasser im Mund zusammen. Knuspriges Jungenfleisch, aufgespießt und über dem Feuer gebraten, genau wie die Spanferkel, die sie überall auf dem Jahrmarkt anboten, mochte er sicher besonders gern. Er musste um jeden Preis so schnell wie möglich hier raus.
    So unauffällig wie möglich blickte sich Jack im Zelt um. Die Wände bestanden zwar nur aus Leinwand, doch man hatte die Bahnen miteinander vernäht und sicher mit Pflöcken von außen im Boden verankert. Nur eine schmale Stelle, die mit einer Plane verhängt war, hatte man offen gelassen, doch davor standder Riese. Es gab keinen Zweifel, hier würde er nicht entkommen. Wieso hatte er sich auch von dem Anführer der Hafenbande dazu verleiten lassen, in diese Schaubude zu gehen.
    Zunächst war alles planmäßig abgelaufen. Nachdem sie ihren Penny Eintrittsgeld bezahlt hatten, verbrachten Kit und er den ganzen Nachmittag in der Bude des Menschenfressers. Kit hatte recht behalten, denn es war tatsächlich ein Kinderspiel gewesen, die Leute im Publikum zu bestehlen. Männer, Frauen und Kinder hatten für nichts anderes Augen als für das, was sich auf der Bühne abspielte. Dass ihnen währenddessen die Taschen geleert und die Beutel abgeschnitten wurden, bemerkten sie nicht. Die Ledertasche, die um Jacks Schulter hing, war schon nach der zweiten Vorstellung prall gefüllt gewesen. Münzen, eine Anstecknadel, seidene Tücher, eine Taschenuhr an einer silbernen Kette ...
    Erst nach der dritten Vorstellung lief alles schief. Die Schau war zu Ende und die Zuschauer strömten dem Ausgang zu. Alles wäre gut ausgegangen, wenn Jack nicht den nagelneuen Geldbeutel, der am Gürtel eines jungen Mannes dicht vor ihm baumelte,

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