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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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Reinhardus, wozu dieser Aufwand? Hier war doch wohl kein Umsturz im Gange?“, fragte er den mit versteinerter Miene dastehenden Rektor.
    „Doch, genau das war es! Bin ich denn der Einzige, der durchschaut, was sich hier abspielt? Schon lange hatte ich den Verdacht der Unterwanderung unserer Einrichtung – jetzt ist es offenbar geworden. Das werde ich nicht dulden!“
    „Aber seid Ihr nicht der Ansicht, dass Ihr mit dieser harten Reaktion Öl ins Feuer gießt?“
    „Lieber Dr. Bernhardi“, der Rektor sprach mit ruhiger, fester Stimme, „Ihr habt doch früher einige Semester Medizin studiert, bevor Ihr in die philosophische Fakultät gewechselt seid. Habt Ihr da nicht gelernt, dass eine Krankheit manchmal erst voll zum Ausbruch kommen muss, bevor die Behandlung mit handfesten Arzneien richtig beginnen kann? Seht Ihr, genau das habe ich getan.“
    „Verzeiht meine Einschätzung der Lage nur aus dem Augenschein“, gab Bernhardi zurück. Reinhardus schien seine feine Ironie nicht bemerkt zu haben. „Seid Ihr Euch aber der herzoglichen Unterstützung für Euer wohlüberlegtes Handeln sicher?“
    „Genau darüber will ich mit allen Kollegen gleich sprechen. Bitte teilt dem Lehrkollegium mit, dass ich für heute Nachmittag um vier eine Versammlung aller Professoren und Lehrkräfte dieser Universität ins Rektorat einberufe. Alle zu dieser Zeit liegenden Veranstaltungen werden abgesetzt. Ich werde dann eine Erklärung vorlegen. Und noch etwas. Wenn Ihr dieses ausgerichtet habt, wäret Ihr dann so freundlich, mit Dr. Wenzel und mir eine Inspektion des Hörsaales vorzunehmen?“
    Magister Bernhardi blieb keine Wahl. Also machte er sich auf die Suche nach den anderen Kollegen, um ihnen die Anordnung ihres Rektors weiterzugeben.
    Eine Viertelstunde später kehrte Bernhardi mit Dr. Wenzel in den leeren Hörsaal zurück.
    „Wir werden jetzt untersuchen, was sich unter den Bänken, Tischen und Ablagen befindet. Ich wette, wir haben am Ende genug Beweise für die lutherische Unterwanderung und für einen geplanten Aufruhr. Also los, meine Herren!“ Bernhardi ließ keinen Zweifel daran, dass er das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen wollte.
    Reihe für Reihe gingen sie die Bänke durch, allerdings fand sich erstaunlich wenig verwendbares Material. Blätter mit Kritzeleiender Studenten, mit lateinisch formulierten Stoßseufzern über den Unterricht, satirische Zeichnungen, aber kein Hinweis auf einen Unterwanderungsversuch der Studenten. Plötzlich bemerkte Dr. Wenzel, dass unter einer Bank der Rand eines kleines Büchleins hervorschaute. Neugierig zog er es heraus und erbleichte.
    „Was ist, mein lieber Wenzel?“, fragte Bernhardi besorgt.
    „Ich habe hier etwas gefunden … Eure Magnifizenz, Ihr hattet mit Eurer Maßnahme völlig recht“, hauchte der blass gewordene Wenzel und beachtete Bernhardi gar nicht.
    „Davon könnt Ihr wohl ausgehen. Zeigt her!“, gab Reinhardus kühl zurück.
    Wenzel reichte ihm das kleine gebundene Bändchen. Der Titel lautete:
Von der Freyheyt eyniß Christenmenschen. Martinus Luther, Vittembergae, Anno Domini 1520
.
    „Na also. Ich habe es doch geahnt.“ Der Triumph in Reinhardus’ Stimme war nicht zu überhören. „Ich werde jetzt auf das Bürgermeisteramt eilen und der Examination der Delinquenten beiwohnen. Mal sehen, wie sie auf diesen Fund reagieren. Ach, Magister Bernhardi, wäret Ihr so freundlich, dieses Exemplar hier zu vernichten? Nein, wartet, vielleicht wird dieses Beweisstück noch gebraucht. Vorerst reicht es aber, wenn Ihr den Fund mit mir bezeugt. Würdet Ihr so freundlich sein, dieses giftige Buch erst einmal in Verwahrung zu nehmen? Ach, und Dr. Wenzel, ich bitte Euch, mich jetzt zu begleiten, um bei der amtlichen Untersuchung die Wortführer zu identifizieren.“
    Eiligen Schrittes entfernte sich Reinhardus. Mit etwas Abstand und durchaus zögerlich verließ auch Dr. Wenzel den Saal.
    Schon wieder ist von Gift die Rede, dachte Bernhardi und erinnerte sich an die Worte des Alten bei seinem nächtlichen Überfall. Ihm war gar nicht wohl bei dem Gedanken, auf einmal Teil des Vollstreckungsapparates zu sein, den Reinhardus da in Gang gesetzt hatte.

4
    Das Rektorat füllte sich langsam. Die Nachricht von den Vorkommnissen im Hörsaal hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Die sich versammelnde Professorenschaft ahnte, dass ihr Rektor die Pflöcke für die künftige Politik an ihrer Bildungseinrichtung tiefer einzuschlagen gedachte, als bisher

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