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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Nuhr
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himmelwärts verschlossen wird.
    Deshalb werden die Baken Monate vorher über die gesamte Strecke verteilt. Der Verkehr wird heruntergebremst auf Tempo 20. Es ist der oberste Ehrgeiz der Verkehrshüter, den Verkehrsfluss so weit herunterzubremsen, dass er faktisch zum Erliegen kommt. Dann rufen alle nach der Verkehrsbehörde, die sich als Retter in der Not zur Verfügung stellt – und irgendetwas neu baut.
    Auch auf Autobahnen wird gerne wegen Nichtigkeit ein Tempo 60-Schild installiert, eine Bake daneben, ein gelber Strich, fertig. Das führt zu weniger Unfällen dort, wo langsam gefahren wird. Allerdings nimmt die Anzahl der Unfälle dort zu, wo heruntergebremst wird. Das passiert aber vor der Baustelle und fällt deshalb nicht in den entsprechenden Zuständigkeitsbereich. Man kann dann sogar darauf hinweisen, dass statistisch gesehen (und wer würde die Wirklichkeit nicht in erster Linie statistisch sehen?) die Zahl der Unfälle außerhalb von Baustellen zunimmt, ein gutes Argument, um überall Baustellen einzurichten. Erst wenn überall Tempo 0 gilt, wird es keine Verkehrstotenmehr geben. Kinetische Energie ist gefährlich. Wo aber keine Bewegung ist, da ist auch keine Energie.
    Wenn aber die Zahl der Verkehrstoten steigt, wächst auch die Nervosität der Überlebenden. Das Rudel der Politiker ist in Aufregung, Alarmismus breitet sich aus. Da der Politiker gewählt wird, weil er etwas tut, ist er froh, wenn er einen Grund findet, etwas zu machen. Natürlich kann er an den Verkehrstoten nichts ändern. Aber er kann der Regierung vorwerfen, sie hätte nichts getan – oder der Opposition, dass sie das Falsche fordert.
    Natürlich liegt die gestiegene Anzahl der Verkehrsopfer in Wirklichkeit einfach an den vielen schönen Frühlingswochenenden. Wenn das Wetter am Wochenende gut ist, schwirren die Motorradfahrer aus und wickeln sich um die Laternen. Das ist eine gute Zeit für alle, die ein Spenderorgan brauchen. Statistisch gesehen sollte man ein Organ am besten im Frühling brauchen.
    Wenn die Zahl der Organspender steigt, fordern die Politiker den Sturzhelm für Klappradpiloten. Und einen Abgasfilter für Gartengrills wegen der Klimaerwärmung. Ein Popelverbot an der Ampel. Oder ein Tempolimit für Rollatoren. Alles im Sinne der Sicherheit! Am Ende wird das Ableben verboten. Das ist ärgerlich für Selbstmörder und Bestatter, ansonsten aber eine gute Idee.
    Weg mit dem Tod! Und mit Krankheit sowieso! Gespaltenen Fußnägeln, Haut auf dem Pudding oder Lochfraß in der Waschmaschine. Alles verbieten! Die deutsche Sprache verfügt über großartige Worte: Lochfraß! Auch Bindegewebsschwäche ist ein großartiges Wort – und sollte ebenso verboten werden! Genau wie Nagelpilz. Oder Verkehrsinfarkt.
    Wenn die Politik weiterhin aktiv bleibt, wird es irgendwann keine Verkehrstoten mehr geben, schon weil es keinen Verkehr mehr gibt. Dann bleiben die Leute zu Hause und fallen von der Leiter. Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Deshalb wird bald auch Haushaltsführung verboten.
    Hausfrauen werden angeleint kochen müssen. Hausmänner werden im Schutzanzug staubsaugen. Die Kinder werden per Internet in die Kita upgeloadet. Es wird eine saubere sichere Welt, in der man nur dann stirbt, wenn man sich nicht an die Gesetze hält.
    Deswegen werden Friedhöfe zum Sammelplatz für Outlaws, Gestrandete und Unterprivilegierte. Man wird dort lediglich zur Resozialisierung eingelagert. Tote heißen dann aus Gründen der politischen Korrektheit auch nicht mehr einfach „Tote“, sondern „Temporeduzierte“ oder „Verkehrsberuhigte“. Dies soll das soziale Stigma des Versterbens aufheben. Politisch Unkorrekte haben immer wieder behauptet, der Tod sei „nur was für Asis!“. Das soll ein Ende haben! Es wird alles immer besser!
    Ein kleiner Wermutstropfen noch. Wir haben zwar ein paar tausend Verkehrstote, aber mehr als fünf Mal so viele Menschen sterben jährlich an Geschlechtskrankheiten. Man wird also auch Geschlechter verbieten müssen. Oder zumindest den Verkehr zwischen ihnen. Oder einfach die Krankheit. Also die Bakterien, die sie auslösen. Aber wer sind wir, dass wir uns über die Einzeller stellen? Veganer werden protestieren und gemeinsam mit der PETA für die Gleichberechtigung alles Lebenden eintreten. Antibiotika gelten bei Naturschützern als Lebensvernichter. Sie schreiben auf ihre Plakate: „Bakterien sind kein unwertes Leben!“„Antibiotika = Nazis!“ Es wird immer etwas geben, wofür Menschen

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