Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
zu drücken, ausschließlich Blätter, die ich nie und nimmer freiwillig lesen würde, Damenware. Dafür nimmt sie das Recht für sich in Anspruch, mir morgens die Zeitung zu klauen. Heute hat sie auch dies vergessen. Sie wird alt.
In einer Anzeige hält eine bekannte Parfümeriekette folgendes Angebot für mich bereit: „nails hands feet basics € 9,95“. Vorbildlich! Um Kosten einzusparen und den Preis von 9,95 Euro halten zu können, hat der Händler auf Großschreibung, Kommata und Übersetzung verzichtet. Er verspricht weiterhin: „Geschmeidige Füße Luftig-leichter Fußschaum mit Blaualge und Seeseide.“
An dieser Stelle gerate ich ins Grübeln. Warum das alles? Natürlich ist es gut, wenn mein Fußschaum nicht zu schwer ist. Wir alle kennen das Problem: Der Fußschaum lastet tonnenschwer auf den Quadratlatschen! Die Beine sind schwer wie eine Reisegruppe japanischer Sumoringer. Es ist keine Bewegung mehr möglich. Man schafft es nicht einmal mehr in die Dusche, um ihn abzuspülen. Wahrscheinlich wird man ihn mit dem Bohrhammer entfernen müssen. Den hat man im Bad nicht immer zur Hand. Am Ende verharrt man am Ort wie festgenagelt und verhungert, wenn keine Hilfe kommt.
Natürlich möchte auch ich, dass mein Fußschaum federleicht und meine Füße geschmeidig sind. Wenn Sie hart sind oder klapprig oder zäh oder irgendwie matschig, sind sie als Füße nicht zu gebrauchen, höchstens im Sitzen. Sind die Füße aber geschmeidig, gleiten sie ohne Widerstand in die Schuhe und sind eine verlässliche Grundlage zum Stehen, Gehen oder gar Tänzeln.
Warum aber kommen zum Erreichen dieses Idealzustandes Blaualge und Seeseide zur Verwendung? Ich fahre im Urlaub lieber in die Berge als an die See. Hätte man nicht genauso gut Enzian und Edelweiß nehmen können? Oder Akelei und Huflattich? Vielleicht auch Gemswurz und Sterndolde? Stendelwurz und Knabenkraut! Beidesübrigens Orchideengewächse! Während Nabelmiere und Leimkraut zu den Nelkengewächsen gehören. Auch nicht schlecht. Für die Füße? Warum nicht?
Immer noch besser als Handkäs mit Musik oder Grünkohl mit Mettwurst, leckere Sachen aus Großmutters Hausapotheke, aber zur äußerlichen Anwendung völlig ungeeignet.
Wieso aber Blaualge und Seeseide? Vielleicht beruht das Rezept auf jahrelanger Erfahrung. Vielleicht führten erste Versuche mit Brennesseln und Himbeersträuchern zu eitrigen Verletzungen. Dann versuchte man Tulpen und Narzissen: Gut! Aber zu teuer in der Herstellung. Dann Alkohol und Dieselöl. Gefährlich wegen Brandgefahr. Man war kurz davor, aufzugeben, als plötzlich ein bis dahin völlig unbekannter Fußsalbeningenieur sein „Heureka“ ausrief! „Blaualge und Seeseide! Das ist es!“ Und so soll es bleiben.
Ich beginne mich zu interessieren für die angepriesenen Produkte. Ich stelle mir die Frage, ob ich den Errungenschaften des deutschen Drogeriewesens bisher zu wenig Beachtung geschenkt habe. Vielleicht war es bloßer Zufall, dass mich meine Füße bisher nicht in die Fänge unserer Parfümerieketten getrieben haben. Vielleicht habe ich meine Aufsichtspflicht verletzt und meine Steh-und Gehorgane schmählich vernachlässigt. Schon bald werden sie aufgrund mangelnder Pflege dahinwelken wie die Mehlprimel aus der Familie der Primelgewächse oder das Täschelkraut, ein Kreuzblütler. Dann werden Drogerieprodukte nicht mehr ausreichen.
Ich werde einen Podologen aufsuchen müssen, der mich mit seitenlangen Rezepten in die Apotheke jagen wird. Vielleicht muss aber auch gleich operiert werden. Meine angefaulten Füße werden amputiert und in der Altorgantonne des örtlichen Krankenhauses entsorgt, wo sie ein frustrierter Mitarbeiter eines wurstverarbeitenden Betriebes heimlich entwendet, um sie aus Menschenhass und Boshaftigkeit in seine Leberwurst zu stopfen. Ich beschließe, meinen Füßen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Aufmerksamkeit ist immer gut. Man sollte allen Körperteilen mehr Aufmerksamkeit schenken. Was ist zum Beispiel mit meinen Ellenbogen? Oder der Kniekehle? Wieso gibt es luftig-leichten Schaum mit Blaualge und Seeseide für die Füße, nicht aber für die Kniekehlen? Wie viele Menschen da draußen pflegen mit Hingabe ihre Füße, landen dann aber aufgrund ihrer Nachlässigkeit beim Kniekehlenchirurgen, der ihnen die Amputation der außerhalb des Fußbereiches völlig ungepflegten Extremitäten nahelegt? Wie viele sind es? Wenn man eine Statistik braucht, hat man sie nie zur Hand. Wahrscheinlich zu wenig, um
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