Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das liegt daran, dass sie auch noch blind ist. Und taub. Und stumm. Deshalb konnte sie nicht nach dem Weg fragen. Schade. Sie wird den Rekordversuch wiederholen. Dann mit mehr Presse und solventeren Sponsoren. Wahnsinn!
    Das Wetter: So lala. Ein bisschen so, ein bisschen so. Und trocken, möglicherweise aber auch nass. Aha. Ein Experte!
    20 15
Klingeln an der Tür. Kommt mein Arzt persönlich vorbei, um mir die Schreckensnachricht zu überbringen? Oder hat er die Zeugen Jehovas gebeten, mich über meinen Gesundheitszustand aufzuklären: „Guten Abend, wir wollten Ihnen nur mitteilen: Wenn es da unten bei Ihnen zwickt, dann liegt das an ihrem Lotterleben. Wir haben sie immer gewarnt, aber sie haben ja nicht hören wollen. Jetzt wuchern ihre inneren Organe, bald werden sie platzen. Das hat der Teufel gemacht. Sie sind vom Satan besessen! Jetzt ist noch Zeit zur Umkehr! Besinnen Sie sich, bevor Sie auf ewig in der Hölle schmoren!“
    Ich werde antworten, dass ich mir lieber am Geschlechtsteil spiele, so lange es noch geht. Eigentlich ist es nicht meine Art, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Aber gegen obsessive Missionsmaniker braucht man harte Geschütze.
    Ich öffne. Ein Schüler bringt das Wochenblatt. Er legt einen Stapel von ungefähr 50 Exemplaren in den Flur. Es wohnen keine 50 Parteien in unserem Haus. Viel weniger. Aber der junge Mann ist in Eile. Seit G8 haben unsere Lernenden tagsüber keine Zeit mehr. Sie arbeiten bis tief in die Nacht, um sich leisten zu können, was man zum Leben am dringendsten braucht, ein iPhone, Wodka und ordentlich was zu rauchen, bevorzugt aus Afghanistan. Das ist gut. So können sie sich schon einmal an die arbeitsame Zeit gewöhnen, die ihrer Pubertät folgen wird. Das Leben ist kein Zuckerschlecken.
     
    20 16
Da mein Magen bereits mit Bier beschäftigt ist, kann sich das Abendessen auf ein belegtes Brot beschränken. Bier besteht zwar zu 92 Prozent aus Wasser, beinhaltet aber auch 2,8 Prozent Kohlehydrate, fünf Gramm Protein pro Liter und nicht wenig Alkohol, ein guter Treibstoff.
    Trotzdem kann feste Nahrung nicht schaden. Käse drauf. Auf die Idee muss man auch erst einmal kommen: das vergorene, anschließend vertrocknete und hart gewordene Drüsensekret eines 800 Kilogramm schweren Säugetieres als kulinarische Spezialität zu verkaufen. Lecker!
    Warum nicht gleich Frösche auslutschen? Wahrscheinlich ist es zu mühselig, die Viecher zwischen Rudelsdorf und Priseberg zu orten und zu fangen. Und wenn man einmal mit dem Auto darüber gefahren ist, wollen sie auch nicht mehr richtig schmecken.
    Während ich mein Käsebrot esse, stellt sich eine leichte Melancholie ein. Seltsamerweise kommt mir einGedanke aus der Mittagszeit wieder in den Sinn: Ich sammle in meiner Erinnerung weitere Plätze, an denen ich niemals Sex hatte. Erstaunlich, was ich alles ausgelassen habe, und das unfreiwillig! Hat man nicht am Ende des Lebens immer zu wenig Sex gehabt? Ich wette, selbst Julio Iglesias trauert einigen vergebenen Chancen nach, dabei hat er in seiner langen Karriere als Schnulzenheini fast alles nehmen können, was eine Rose bis zur Bühne tragen kann.
    Ich war leider nie Schlagersänger, dennoch kein Kind von Traurigkeit, hatte aber zum Beispiel noch nie Sex in einem Glasbodenboot, mit dem Touristen die Fische gezeigt werden sollen. Leider sind niemals Fische unter dem Boot. Außerdem ist immer die Scheibe dreckig, so dreckig, dass einem der Guide eine Qualle als Riesenkraken verkaufen kann. Anwesenheit von Fremden ist übrigens ein guter Grund, keinen Sex zu haben. Das gilt für Quallen ebenso wie für Touristenführer. Mir ist es egal, wer von beiden mir zuguckt, ich will beide nicht dabeihaben. Auch Taucher könnten unter unser Boot geschwommen kommen, um uns – von unten! – zuzusehen. Außerdem muss doch auch jemand steuern. Akzeptabel wäre ein Steuermann als Zeuge meiner Geschlechtlichkeit aber ausschließlich dann, wenn er blind und taub wäre. Taubblinde sind aber, dies zu behaupten ist mit Sicherheit nicht behindertenfeindlich, keine guten Skipper.
    Wer schon einmal Sex in einem Raumschiff hatte, möge sich bitte bei mir melden und mir erklären, wie sich die Schwerkraft auf die Blutverteilung im Körper, speziell in den herauskragenden Teilen, auswirkt. Leider kenne ich niemanden, der dies ernsthaft behauptet, außer unseremetwas übergewichtigen, sechzehnjährigen Nachbarssohn, der damit angibt, schon überall Sex gehabt zu haben. Meine Theorie ist, dass er Sex mit