Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
ich doch eine Therapie in Erwägung ziehen?
Wie lange mag mein kurzer Schlaf gedauert haben? Es sind immer noch Nachrichten: bilaterale Gespräche. Jemand spricht mit jemand anderem. Beide lächeln und behaupten, wenn auch noch keinen Durchbruch, so doch wenigstens eine solide Grundlage für weitere Gespräche gefunden zu haben, die für die Zukunft der Völker von richtungsweisender Bedeutung sein werden. Und man möchte hinzufügen: wenn nicht etwas dazwischenkommt, die Umwelt, das Wetter oder das Geld.
Ein entgleister S-Bahn-Zug macht dem Bürgermeister von Berlin keine größeren Sorgen. Er beschäftigt sich gerade mit dem Bau eines Flughafens. Offenbar hat er nicht gewusst, dass er das Gebäude mit eigenen Händen herstellen muss. Er hatte gedacht, es kämen Bauarbeiter vorbei, woher auch immer. Aber denen hätte vorher jemand Bescheid sagen müssen. Das wurde offenbar vergessen. Schade. Bald ist fünfter Jahrestag der geplanten Fertigstellung, aber in Berlin streitet man noch darüber, wann endlich der Bauzaun kommt. Da ist ein S-Bahn-Zug, der einfach so aus den Gleisen springt, nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern auch ein Beispiel für die immer noch beeindruckende Vitalität der Stadt, die behauptet, die einzige Metropole Deutschlands zu sein, politisch aber geführt wird wie ein rheinischer Schützenverein. Das ist lustig. Das Land lacht. Ein heiterer Punkt in der üblichen Aufzählung globaler Katastrophen.
Die Baufertigstellung soll nun aber trotzdem exakt terminiert werden. Man weiß bloß nicht, wen man denn nun fragen soll, wann es so weit sein könnte. Viele wollen ein Krakenorakel einrichten, aber auch andere Tiere kommen in Frage. Maulwürfe sagen in Punxsutawney, Pennsylvania, immer recht zuverlässig das Winterende vorher. Oder Gnus. Gnus sind eigentlich immer gut, auch wenn die Idee nicht gerade naheliegt. Aber in Berlin ist die abwegigste Idee immer automatisch die beste. In anderen Städten hätte man so einen Flughafen einfach gebaut. In Berlin tut man einfach erst mal so, als hätte man schon angefangen. Warum also kein Gnu?
Berlin tut gut! In Berlin führt das Wassersparen durch Wasserspartasten dazu, dass die Kanalisation verschlickt. Deshalb wird das durch Wassersparen eingesparte Wasser nun einfach als normales Trinkwasser durch die Kanalisation geschickt. Dadurch wird zwar kein Wasser gespart. Die Spartasten dürfen aber weiterhin Spartasten heißen, weil man im Moment des Abziehens wirklich Wasser spart, und zwar genau das Wasser, das in der Stadtdringend benötigt wird, um später dann die Kanalisation durchzuspülen. Perfekt. Das muss der Berliner dann nicht mehr selber machen …
Die Experten aber diskutieren nicht über gespartes Wasser, sondern über Geld. Es wird seinen Wert verlieren, da sind sich die Experten einig. Ein guter Grund, das Gegenteil anzunehmen, denn die Wirtschaftsexperten haben noch nie richtiggelegen. Das ändert nichts daran, dass sie Experten sind. Sie können die Wirtschaftsentwicklung in etwa ebenso sicher vorhersagen wie Franz Beckenbauer die Deutsche Meisterschaft in der nächsten Saison. Also gar nicht. Beckenbauer ist trotzdem Experte. Deshalb wird er gefragt. Und wenn man gefragt wird, sagt man was. Das gebietet die Höflichkeit. Und Franz Beckenbauer ist ein extrem höflicher Mensch! Wer ihn jemals kennengelernt hat, weiß das.
Von 1.000 Experten sagt meist einer das Richtige. Das ist dann der Experte unter den Experten. Man fragt ihn in den Folgejahren am häufigsten, weil man glaubt, dass er hellsehen kann. Allerdings kann er das nicht, es war einfach so: Einer musste richtigliegen. Deshalb werden in den Folgejahren andere Experten vorne liegen. Egal. Bis dahin kann man die Visage unseres Expertenexperten sowieso nicht mehr ertragen, weil er als Visionär und Hellsichtiger durch alle Talkshows des Fernsehens gereicht wurde.
Sport: Ludmilla Gurkanova hat ein Stäbchen 14,15 Meter hoch geschmissen. Gut. Oder eine Kugel 20,95 Meter weit weg. Egal. Wer kann das behalten? Vielleicht hat sie auch einen Kirschkern in einen Eimer in 17,21 Meter Entfernung gespuckt. Oder sie ist die erste Frau, die ohne Beine den Atlantik durchschwommen hat. Und ohneArme. Nur mit Hilfe ihrer Nüstern, die durch Aufblähen und Zusammenpressen einen enormen Rückstoß erzeugen. Sie wird von begeisterten Fans in Varanasi empfangen. Erst später fällt auf, dass Varanasi gar nicht am Atlantik liegt, nicht mal am Meer, sondern am Ganges. Sie hat sich verschwommen.
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