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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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wunderbare Farbe?‹
    Ich kniff die Augen zusammen und schaute in die bezeichnete Richtung. Dort war tatsächlich ein neues Beet. Es war noch klein, doch die Rosen darauf übertrafen mit ihrer Leuchtkraft alle anderen. Es war, als ob ein Feuer in diesen Blüten brannte.
    ›Meine bislang neueste und beste Schöpfung‹, sagte Clarisse stolz. ›Ich nenne sie Graviata.‹
    Clarisses Felder wurden von Helferlein gepflegt. Auch das war neu für mich. Ich sah von der Plattform des Turms zu, wie diese kleinen Holzkerlchen zwischen den Rosenstöcken herumkrabbelten und eifrig jäteten, wilde Triebe schnitten oder Schädlinge bekämpften. Wenn wir so etwas auf dem Hof gehabt hätten!
    Der Rasen unterhalb des Turms wurde nicht von den Helferlein gepflegt. Ein Junge kroch dort tagein, tagaus auf den Knien herum und schnitt die Halme mit einer Schere ab. Wenn er einmal ganz um den Hügel herumgekrochen war, fing er wieder von vorne an.
    ›Ein Verwandter von mir‹, fauchte Clarisse ärgerlich. ›Er taugt zu gar nichts. Nicht einmal diese Arbeit kann er ordentlich machen. Ich muss dauernd hinter ihm her sein. Zweimal hat er schon versucht zu fliehen. Aber ich habe ihn natürlich gefunden. Ich finde jeden, egal, wo er sich versteckt!‹
    Beim letzten Satz hatte ihre Stimme einen drohenden Unterton angenommen. Ich nickte folgsam, schlug demütig die Augen nieder, doch ich fragte mich, ob dieser Junge vielleicht ein Verbündeter werden könnte. Er sah furchtbar mager aus, vermutlich bekam er sehr wenig zu essen, er war ja kein kostbarer Blutlieferant. Einmal, während er mit seiner Schere unten herumkroch, biss Clarisse in einen Apfel, der ihr nicht zu schmecken schien. Sie verzog das Gesicht und warf ihn durch die Gitterstäbe, sodass er dicht neben dem Jungen landete. Natürlich zerplatzte der Apfel in viele kleine Stücke. Der Junge wuselte durch das Gras, pickte die Stückchen auf und steckte sie hastig in den Mund.
    ›Dieser Faulpelz!‹, schimpfte Clarisse. ›Er arbeitet nicht und glaubt, er könne sich auf meine Kosten vollstopfen. Heute Abend wird er vor einem leeren Teller sitzen!‹
    Als die Magd, die unser Essen brachte und das gebrauchte Geschirr abholte, wieder einmal so unglücklich schniefte, weil wir nur wenig angerührt hatten, sagte ich ihr, sie solle unsere Reste doch einfach dem Jungen mit der Rasenschere geben.
    ›Der Scherenjunge wird glücklich sein‹, sagte ich, ›und Clarisse dich loben, weil du so eine gute Köchin bist, die uns dazu bringt, immer alles aufzuessen.‹
    Sie antwortete nicht, sie sprach niemals in all der Zeit ein einziges Wort mit uns. Doch irgendwie musste sie einen Weg gefunden haben, dem Jungen unsere Reste zukommen zu lassen. An einem der folgenden Tage, als Robert und ich am Gitter der Aussichtsplattform lehnten und zu ihm hinunterschauten, verbeugte er sich vor uns und rieb sich mit beiden Händen den Bauch. Man konnte Clarisse also hintergehen. Das war ein winziger Lichtblick. Es gab nicht viele davon.
    Rosa wurde von Tag zu Tag schwächer. Ich habe nie verstanden, warum Clarisse darauf beharrte, ein Kind nach dem anderen vollständig ausbluten zu lassen. Sie hatte jetzt genug Opfer zur Auswahl, es wäre also viel vernünftiger gewesen, uns abwechselnd an die Reihe zu nehmen, sodass für jedes von uns eine gewisse Zeit der Ruhe und Erholung entstanden wäre. Es ist durchaus möglich, dass sie es aus purer Bosheit und Grausamkeit nicht tat. Für wahrscheinlicher aber halte ich es, dass der Zauber mit den Rosen einzig auf diese Art funktionierte. Schließlich war sie auch Geschäftsfrau. Wie jede andere musste sie ihre Mittel vernünftig einsetzen.
    Manchmal verreiste sie für ein paar Tage. Vielleicht besuchte sie ihre Kunden, vielleicht durchstreifte sie das Land auf der Suche nach geeigneten Kindern. Sie sagte es uns nicht, wir merkten nur, dass sie fort war, weil sie Rosa nicht ins ›Behandlungszimmer‹ holte und weil wir nicht nach oben auf die Plattform durften. Unser Zimmer blieb versperrt, niemand außer Clarisse hatte den Schlüssel dafür und die nahm ihn überallhin mit. Doch die Tage ihrer Abwesenheit waren für alle etwas leichter: Rosa musste nicht bluten, die Magd schnüffelte weniger und der Scherenjunge – der Scherenjunge besuchte uns! Er hatte die Magd beschwatzt, ihn das Tablett mit dem Abendessen hochbringen zu lassen. Er wollte sich bedanken, sagte er, weil wir unser Essen mit ihm teilten, das hätte bis jetzt noch niemand getan. Außerdem habe er vor

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