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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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sie die reinste Liebenswürdigkeit. Sie wollte keinen Ärger, und daher blickte sie zwar finster, als ich ihr das Schriftstück zeigte, führte uns aber zu Diocles’ Besitztümern. Sie hatte sie in einem alten Hühnerstall untergebracht. Das Ergebnis konnte man sich denken.
    »Wie ich sehe, kümmern Sie sich gut um alles.« Im Küchengarten scharrten nun keine Hühner mehr, doch sie hatten ihre üblichen Erinnerungsstücke hinterlassen. Es gibt Schlimmeres als Federn und Hühnerdreck, als Aufbewahrungsort kam mir der Stall jedoch recht krude vor.
    »Ich bin keine Gepäckaufbewahrung.«
    »Nein, natürlich nicht«, versicherte ihr Helena besänftigend. Der Frau waren Helenas deutliche Vokale und Konsonanten aufgefallen. Gewohnt daran, mögliche Mieter einzuschätzen, war sie verwirrt. Ich war Privatschnüffler, meine Freundin sollte ein schnippisches Stück mit lauter Stimme und hochgeschnürtem Busen sein. Nach sechs gemeinsamen Jahren gaben Helena und ich dazu keine Erklärungen mehr ab. »Diocles hat erwähnt, dass er hier Verwandte besuchen wollte«, säuselte Helena. »Wissen Sie, ob er Besuch bekommen hat oder mit jemand Bestimmtem Kontakt aufnahm?«
    »Sein Zimmer war in meinem Haus nebenan.« Die Vermieterin war stolz darauf, zwei Häuser zu besitzen, eines, in dem sie selber wohnte, und ein weiteres, dessen Zimmer sie an Sommergäste vermieten konnte. »Es stand ihm frei, zu kommen und zu gehen, wie er wollte.«
    »Sie haben also niemanden mit ihm zusammen gesehen?«
    »Nicht oft. Der Sklave aus Rom, der mich darauf aufmerksam machte, dass der Mann vermisst wird, scheint der Einzige gewesen zu sein.« Das war der Sklave, der das Manuskript für den Anzeiger holen sollte. »Solange es keinen Ärger gibt, halte ich mich da raus.«
    »Ach, Sie sind so hilfreich wie eine Ziege mit drei Lebern für einen Novizen der Auguren«, bemerkte ich.
    Helena fing den Blick der Frau auf. »Das eröffnet unendliche Möglichkeiten, führt aber zu keiner verlässlichen Prophezeiung«, erklärte Helena, und dann lachten beide Frauen abfällig über meinen Witz.
    Ich machte mir an dem Gepäck zu schaffen. Da waren die ungewaschenen Tuniken, wie Helena vorausgesehen hatte. Ich habe schon Schlimmeres gerochen. Scriptoren, die in Regierungsbüros arbeiten, wissen, wie man die Bäder benutzt. Diocles’ Wäsche hatte einen Monat herumgelegen und war dann in einen Hühnerstall geworfen worden. Ein süßer Balsamgeruch war also nicht zu erwarten.
    »Glauben Sie, dass Diocles in Ostia war, um zu arbeiten?« Helena besaß eine ruhige Beharrlichkeit, der die Leute nie etwas entgegenzusetzen hatten. Der Vermieterin gefiel es nicht, so viele Fragen beantworten zu müssen, aber sie ließ sich mitziehen.
    »Das behauptete er.«
    »Hat er Ihnen erzählt, welchem Beruf er nachgeht?«
    »Irgendwas mit Dokumentation, glaube ich.«
    »Scheint zu stimmen.« Ich bestätigte die Halbwahrheit, da ich ein Bündel Schreibtafeln ausgegraben hatte. Sie sahen fast leer aus. Was ich doch immer für ein Glück habe. Diocles war ein Scriptor, der alles im Kopf behielt. Zeugen können so egoistisch sein.
    Ich fand einen Namen. »Jemand hier muss Damagoras heißen. Sieht nach einer Verabredung aus … Kennen Sie diesen Damagoras?«
    »Hab nie von ihm gehört«, erwiderte die Vermieterin. Wenigstens war sie konsequent.

VII
    H elena und ich gingen langsam zurück. Diesmal hielten wir uns direkt an den Decumanus. Ich trug die Wäsche des Scriptors und seine anderen Besitztümer, eingewickelt in seinen Mantel. Abgesehen von dem Geruch, einer merkwürdigen Mischung aus Männerschweiß und altem Mörtel, machte uns das Bündel eindeutig zu einem Diebesziel. Kleidung ist bei Dieben am beliebtesten. Bei der Hälfte ihrer Fälle hatten es die Vigiles mit geklauten Tuniken zu tun, entwendet aus den Umkleideräumen der Thermen. Ich wette, das wussten Sie nicht.
    Falsch! Ich wette, Sie sind dem schon mindestens einmal zum Opfer gefallen.
    So etwas wie ein Badehaus mit guten Sicherheitseinrichtungen gibt es nicht. Das fängt schon mit den Besitzern an. Die meisten nehmen mit der einen Hand Ihr Eintrittsgeld, während sie mit der anderen am Nacken Ihrer Kleidung herumfummeln, bevor sie den Eigentümer wechselt. Viele haben Vettern, die Tuchwalker sind. Ihre geliebte lohfarbene Tunika wird blutrot umgefärbt werden und dadurch nicht mehr zu identifizieren sein, während Sie sich mit dem Strigilis noch Ihr ausgewähltes Körperöl abkratzen und darüber klagen, dass das

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