Das Geheimnis des Scriptors
Hand umklammert, aber sein schwerer rechter Arm ruhte momentan auf unserem Tisch vor der Kneipe, während er sich dem langsamen Abgleiten in die Trunkenheit hingab.
Er hatte sich hierher zum Dienst versetzen lassen und führte ein angenehmes Leben – vor allem, da der Gangster, auf den er wartete, überhaupt nicht auftauchte. Ich war hier, um nach jemand anderem zu suchen – was ich Petro allerdings nicht erzählt hatte.
Ostia, der Hafen von Rom, war eine pulsierende Stadt, aber die Kaserne der Vigiles war baufällig und die Kneipe daneben einfach schrecklich, kaum mehr als ein Schuppen, der an der Wand der Kaserne lehnte. Nach jedem Feuerlöschen blockierten die Vigiles-Mannschaften die enge Seitengasse, standen mit ihren Weinbechern herum, erpicht darauf, sich das Kratzen aus den rauhen Kehlen zu spülen, und für gewöhnlich genauso erpicht darauf, sich über ihre Offiziere zu beschweren. Im Moment war die Straße fast leer, und so konnten wir mit ausgestreckten Beinen auf zwei niedrigen Hockern an einem winzigen Tisch sitzen. Andere Gäste gab es nicht. Die Tagesschicht machte ein Nickerchen im Wachlokal und hoffte, niemand würde in einer überfüllten Wohnung durch Unachtsamkeit Feuer auslösen oder, wenn doch, dass niemand Alarm schlagen würde.
Petro und ich plauderten über unsere Arbeit und unsere Frauen. Nach wie vor in der Lage, zwei Dinge gleichzeitig zu tun, behielt Petronius Longus dabei auch den Jungen im Auge. Der Kleine wirkte zu angespannt, schien etwas im Schilde zu führen. Ein kicherndes Grüppchen wäre irritierend genug. Aber falls dieser Einzelgänger einen Stein durch das Tor der Kaserne werfen, dann Schmähungen rufen und wegrennen sollte, würde er meinem alten Freund direkt in die Arme laufen.
Allerdings war der Kleine höchstens sieben. Petronius würde ihm vermutlich nicht die Arme oder Beine brechen.
Nachdem Petronius die Augen zusammengekniffen und den Jungen eine Weile beobachtet hatte, setzte er unsere Unterhaltung fort. »Na, wie gefällt dir deine Bude, Falco?«
Ich schnaubte verächtlich über seine Frotzelei. »Mir ist schon klar, warum du da nicht bleiben wolltest.«
Petro war ein Raum in der Kaserne von Ostia zugewiesen worden. Er hatte sich geweigert, ihn zu beziehen, hatte mir die düstere Zelle aber für diese Woche überlassen. Wir hatten genug Erfahrung mit dem Kasernenleben aus der Zeit bei der Zweiten Augusta, unserer Legion in Britannien. Selbst Feldlager in abgelegenen Provinzen waren besser organisiert als dieser Saftladen. Der Dienst in Ostia war auf vier Monate beschränkt und wechselte im Turnus zwischen den sieben Kohorten Roms. Diese Regelung stand unter ständiger Kritik, und das merkte man.
In einer Seitenstraße des Decumanus Maximus kurz hinter der Porta Romana gelegen, waren die Gebäude vor drei Jahrzehnten hastig errichtet worden, als Claudius seinen neuen Hafen baute. Zuerst hatte der Kaiser einige der ungehobelten Stadtkohorten zur Bewachung der funkelnagelneuen Lagerhäuser eingesetzt. Brände in den Getreidespeichern hatten zu einem Umdenken geführt. Die Regelung wurde verschärft, und die Städtischen, einfache Soldaten, wurden von den besser geschulten Vigiles abgelöst, die ausgebildete Feuerwehrmänner waren. Roms lebenswichtiger Getreidenachschub sollte bei ihnen in sicheren Händen sein, das Volk würde nicht hungern müssen, die Stadt wäre frei von Krawallen, und jeder würde den Kaiser lieben, der für all das gesorgt hatte.
Hier geschah jedoch dasselbe wie in Rom. Während die Vigiles auf Feuerwache waren, vor allem bei Nacht, griffen sie nicht nur Brandstifter auf, sondern jede Art von Kriminellen. Jetzt überwachten sie den Hafen und behielten die Stadt im Auge. Die Bewohner Ostias versuchten immer noch sich daran zu gewöhnen.
Petronius, der wusste, wie man seine Vorgesetzten in den Sack steckte, mischte sich in das Tagesgeschehen nur ein, wenn es ihm passte. Sein Spezialeinsatz war zeitlich unbegrenzt, und so hatte er seine Familie mitgebracht. Inzwischen lebte Petro mit meiner Schwester Maia zusammen, die vier Kinder hatte, und er selbst hatte in Ostia eine noch junge Tochter, mit der er in Kontakt bleiben wollte. Um sie alle unterzubringen, war es ihm gelungen, sich eine Villa zu ergaunern, geliehen von einer sehr wohlhabenden örtlichen Kontaktperson der Vigiles. Wie das vonstattengegangen war, hatte ich noch nicht spitzbekommen. Aber aufgrund dessen stand mir sein ungemütlicher Raum in der Kaserne zur Verfügung. Was
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