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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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uns gelingen, für sie einen Ehemann mit einem soliden Handwerk zu finden, und vielleicht würde sie sogar glücklich werden. Na ja, wenigstens der Ehemann könnte glücklich werden. Albia hatte ihre Kindheit an Einsamkeit und Verwahrlosung verloren, das würde immer durchscheinen.
    »Wer ist zu dick?«, fragte Helena unaufrichtig.
    »Dein Bruder«, stichelte Albia.
    »Mein Bruder ist nur schwer gebaut.«
    »Nein.« Albia kehrte zu ihrer üblichen verletzenden Direktheit zurück. »Und er nimmt sein Leben nicht ernst. Er wird ein schlimmes Ende nehmen.«
    »Wer?«, fragte Aulus, der wie aufs Stichwort im Türrahmen erschien.
    »Du«, sagten wir alle im Chor.
    Aulus bleckte die Zähne. Er trank zu viel Rotwein und versuchte die Flecken mit Schmirgelpulver von seinen Hauern zu entfernen. Die Zähne würden ausfallen, aber er glaubte zweifellos, dass sie in der Abfallschale des Zahnarztes hübsch aussehen würden. Er besaß die normale Eitelkeit eines Lebemannes – und genug Zaster, sich jedes Mal zum Narren zu machen, wenn er den Laden eines Apothekers betrat. Im Moment stank er nach Kassienöl. »Ein schlimmes Ende? Das hoffe ich doch sehr«, meinte er und grinste anzüglich. »Mit ein wenig Glück in Griechenland!«
    Wenn Aulus Camillus sich herabließ zu lächeln, sah er plötzlich richtig gut aus. Das hätte mir in Bezug auf Albia Sorgen bereiten können. Aber wir ließen die beiden trotzdem allein. Denn jemanden zu haben, der auf unsere Kinder aufpasste, wenn wir gemeinsam ausgingen, war für Helena und mich eine zu gute Gelegenheit, um sie zu verpassen.

    Der Tag war wieder heiß, und wir brauchten lange, bis wir die Porta Marina erreichten. Wir blieben im Schatten, wichen vom Decumanus ab und hielten uns so oft wie möglich an schattige Seitenstraßen. Für eine vorrepublikanische Stadt besaß Ostia ein gutes Grundraster, und wir fanden recht leicht den Weg durch stille Gassen. Es war Nachmittag, Siesta-Zeit. In ein paar Kneipen wurden noch ausgedehnte Mittagsmahlzeiten an Stammgäste serviert, während verstohlene Spatzen die Krümel vorheriger Gäste aufpickten. Dünne Hunde schliefen an Türschwellen, und angeleinte Mulis standen mit den Köpfen in Wassertrögen, verscheuchten lustlos Fliegen und taten so, als wären sie von ihren Besitzern verlassen worden. Die Besitzer, wie die meisten Bewohner, hatten sich in das Innere der Häuser verzogen. Sie genossen das normale Mittagsleben – ein rascher Imbiss mit Brot und Wurst oder ein schnelles Vögeln mit der Frau ihres besten Freundes, ziellose Plaudereien mit einem Kumpel, ein Würfelspiel, ein weiterer Darlehensantrag bei einem Kredithai oder der tägliche Besuch bei einem alten Vater.
    Helena und ich gingen außen um das Forum und seine diversen öffentlichen Gebäude herum. Wir kamen an Tuchwalkern und Tempeln vorbei, Märkten und Gasthöfen, während wir auf die kühlere Brise und das Kreischen der Seevögel zustrebten. Ich erlaubte Helena einen kurzen Blick aufs Meer und zerrte sie dann zu der Vermieterin mit. Wir wussten, dass die Frau schlafen und schlechte Laune haben würde, wenn wir sie störten, aber zumindest würde uns um diese Tageszeit kein käsegesichtiger Sklave mitteilen, dass seine Herrin einkaufen gegangen oder bei der Schönheitspflege sei oder sich meilenweit fortbegeben habe, um einen Streit mit ihrer Schwiegermutter vom Zaun zu brechen. Ein schläfriger Nachmittag am Meer, wenn die Sonne die Fischschuppen vom Morgen zu pergamentartiger Durchsichtigkeit versengt hat und sich die Kormorane sonnen, ist der richtige Zeitpunkt, jemanden aufzusuchen.
    Ich beobachtete, wie Helena die Frau abschätzte, die breitschultrig und rotgesichtig war und ein pflaumenfarbenes Gewand anhatte, das etwas zu lang um die Sandalen baumelte und nicht so ganz zu ihrer Stola passte. Sie trug schwere Goldohrringe und einen Schlangenarmreif mit bösartigen Glasaugen. Rot bemalte Wangen und gefärbte Augenlider, deren Schminke sich unvorteilhaft in den Falten abgesetzt hatte, waren eindeutig Routineverzierungen (für sie, nicht für die Schlange). Sie war entweder Witwe oder gab sich als solche aus. Auf keinen Fall gehörte sie zu der hilflosen Art von Witwen. Ich hätte sie als Klientin angenommen, wenn mich diese Aussicht auch nicht besonders erfreut hätte.
    Von meinem vorherigen Besuch wusste ich, dass sie nach außen hin freundliche Effizienz zeigte, es ihr aber eigentlich nur ums Geld ging. Bezahlte man sie gut – und bezahlte man ihr zu viel –, wäre

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