Das Geheimnis des Templers - Episode II: Im Namen Gottes (German Edition)
Morgenland.
Nach dem wahrhaft fürstlichen Mahl war Gero nicht nach Tanzen zumute. Er saß lieber bei Lissy, die, satt und zufrieden, vor ihm auf einer Bank hockte und den Kopf an seine Schulter gelehnt hatte, und lauschte einem rothaarigen Troubadour, der mit wehmütiger Stimme Winterlieder in englischer und franzischer Sprache vortrug, bis Roland mit der Faust auf den Tisch schlug und nach etwas Lustigem verlangte. Sogleich wechselte der Rhythmus in einen flotten Reigen. Dann wurde Gero von ein paar weiblichen Gästen, die um seine Spielkünste wussten, genötigt, eine Laute anzustimmen. Zögernd gab er erst nach, als Lissy ihm die Gewissheit gab, dass sie nichts dagegen hatte. Sie liebte es, wenn er Laute spielte und dazu sang, was in letzter Zeit viel zu selten vorgekommen war. Sein Vater hatte seine Vorliebe für die Musik der Troubadoure immer für Teufelszeug gehalten. Aber Gero hatte sich nicht daran gestört und bei einem Spielmann, der sich in der Nähe der Breidenburg als Instrumentenbauer niedergelassen hatte, Unterricht genommen.
Die übrigen Musiker stimmten ein, und im Nu war die Halle überfüllt mit tanzenden Gästen. Lissy wippte immerhin mit dem Fuß zur Musik und klatschte begeistert, als das Stück geendet hatte. Danach erhoben alle ihre Weinhumpen und prosteten dem Brautpaar zu. Lissy umarmte Gero stürmisch, als er die Laute einem der Musikanten zurückgegeben hatte. „Du singst und spielst geradezu göttlich“, stieß sie atemlos hervor. „Selbst dem Kind hat es gefallen. Es hat wie wild gestrampelt.“
Gero nahm sie fest in den Arm und küsste sie auf den Mund.
„Na dann“, sagte er lachend. „Vielleicht erblickt im Hause Waldenstein-Breydenbach demnächst ein berühmter Troubadour das Licht der Welt.“
Lissy nickte übermütig und trank einen Schluck Apfelmost, doch plötzlich wandelte sich die Freude in ihrem Gesicht zu einer schmerzverzerrten Miene.
„Was ist mit dir?“, fragte Gero besorgt.
„Nichts“, japste sie atemlos. „Nur ein kurzes Stechen im Leib. Es ist schon wieder vergangen.“
„Ich hole Ines“, sagte er und sprang auf. Lissy wollte ihn noch festhalten, doch er war schon auf die andere Seite der Halle geeilt, wo die Hebamme mit den übrigen Mägden um einen Tisch saß.
Margaretha war ihm mit Blicken gefolgt und kam mit gekräuselter Stirn hinzu, als Ines durch die Kleider hindurch routiniert Elisabeths Leib abtastete.
„Ihr Bauch verhärtet sich von Zeit zu Zeit“, bemerkte sie mit einem ins Leere gerichteten Blick, während sie weiterhin über die Wölbung strich.
„Das ist eindeutig zu früh“, fügte sie ohne besondere Aufregung hinzu und suchte dabei Margarethas Blick, als ob sie ausgerechnet bei ihr, die nie ein Kind geboren hatte, eine Bestätigung suchte.
„Und was hat das zu bedeuten?“, fragte Gero nervös.
„Nichts“, erwiderte Ines schroff. „Nur dass sie sich die nächste Zeit ins Bett legen sollte und der Vater des Kindes ab sofort Enthaltsamkeit übt.“
Während Lissy sich frühzeitig von den Hochzeitsgästen verabschiedete, versprach Gero, dass er noch einmal zur Gesellschaft zurückkommen würde, sobald er seine Frau zu Bett gebracht hatte. Beim Abgang aus der Halle musste er sich von den anwesenden Söldnern noch ein paar zotige Bemerkungen gefallen lassen. Doch dann war es plötzlich still, als er Lissy auf die Arme nahm, um sie, gefolgt von Ines und einer Kammerfrau, in ihr gemeinsames Schlafgemach zu tragen.
„Es ist mir ernst“, wiederholte Ines, als Gero der Kammerfrau dabei zusah, wie sie Lissy aus den Kleidern half. „Bis zur Geburt des Kindes ist es Euch strengstens verboten, Eure Frau im Fleische zu erkennen. Und auch Ihr, meine Liebe“, ermahnte sie Lissy, „werdet Euren Gemahl nicht dazu verführen, das Lager mit Euch zu teilen, es sei denn ausschließlich, um zur Ruhe zu kommen.“
„Bedeutet das, wir werden keine Hochzeitsnacht im üblichen Sinn haben dürfen“, bemerkte Lissy sichtlich enttäuscht.
„Genau das“, bestätigte Ines. „Das würde Euch schaden, und es schadet dem Kind. Bis zur Geburt muss ich Euch strikte Enthaltsamkeit auferlegen.“
Gero nickte betroffen. Auf der einen Seite war es zwar schade, auf der anderen Seite hätte er sich zur Not zum Eunuchen machen lassen, wenn es für Lissy und das Kind notwendig gewesen wäre.
„Das Verbot des Beischlafs gilt in erster Linie für die Frau“, ergänzte Ines vieldeutig. „Es hat keinen Einfluss auf deren Wohlbefinden, wenn der Mann
Weitere Kostenlose Bücher