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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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verschwunden.
    „Ich weiß nicht, ob es in seiner Familie Schwachsinn gibt, aber wundern würde es mich nicht", erwiderte Gertrude. „Es würde mich überhaupt nicht wundern. Von unserer Seite kommt es natürlich nicht, aber für die Templetons kann ich nicht sprechen."
    Melisande schob ihre Erbsen mit der Gabel an den Tellerrand. Irgendwie tat Mary ihr leid. Schließlich war sie nur ihrem Herzen gefolgt. „Ich glaube, dass Mary Templeton in den Pfarrer verliebt ist", meinte sie.
    Mit Augen so groß wie gekochte Stachelbeeren sah Gertrude sie an. „Verliebt? Das tut doch gar nichts zur Sache!" Sie wandte sich um Beistand an ihren Gatten. „Tut das etwas zur Sache, Mr Fleming?"
    „Nein, tut es nicht", erwiderte Harold wie zu erwarten. „Sie hat eine gute Partie für einen Pfarrer sausen lassen." Dann kaute er eine Weile bedächtig. „Meiner Meinung nach kann Vale froh sein, dass er sie los ist", befand er schließlich. „Hätte ihm womöglich noch Schwachsinn in die Familie gebracht. Schlimme Sache, soll man nicht mit scherzen. Besser, er schaut sich anderswo nach einer Frau um."
    „Ah, was das angeht ..." Melisande räusperte sich. Ein besseres Stichwort konnte sie gar nicht bekommen. Jetzt oder nie. „Ich muss euch etwas sagen."
    „Ja, meine Liebe?", ließ sich Gertrude herab und säbelte am Rinderstück.
    Melisande holte tief Luft und fiel gleich mit der Tür ins Haus, denn — ganz ehrlich — was brachte es schon, darum herumzureden? Dennoch fand sie es tröstlich, als eine Pfote sich auf ihr Knie legte und eine warme Zunge ihr die linke Hand leckte. Sie konnte jeden Beistand gebrauchen. „Lord Vale und ich sind heute zu einer Übereinkunft gelangt. Wir werden heiraten."
    Gertrude ließ ihr Messer fallen.
    Harold verschluckte sich an seinem Wein.
    „Ich wollte es euch nur gesagt haben", fügte Melisande hinzu.
    „Heiraten?", wiederholte Gertrude. „Lord Vale? Jasper Renshaw, Viscount Vale?", vergewisserte sie sich, als gäbe es noch einen weiteren Lord Vale in England.
    „Ja."
    „Aha." Harold sah seine Frau an. Gertrude schaute zurück und schien sprachlos. Er wandte sich an Melisande. „Bist du ganz sicher? Du könntest nicht etwas missverstanden haben, einen Blick oder ..." Er ließ den Satz unvollendet. Denn was sonst könnte man noch als Heiratsantrag missverstehen?
    „Ich bin mir ganz sicher", antwortete sie ruhig. Das Herz flatterte ihr in der Brust, doch ihre Worte waren klar und deutlich. „Lord Vale meinte, dass er dich in drei Tagen aufsuchen und alles besprechen will."
    „Verstehe." Harold starrte so fassungslos auf sein Stück Rindfleisch, als habe es sich in einen Kürbis verwandelt. „Nun, dann möchte ich dir meinen Glückwunsch aussprechen, meine Liebe. Ich wünsche dir alles nur erdenklich Gute mit Lord Vale." Blinzelnd sah er sie an, der Blick seiner braunen Augen unsicher. Er hatte sie noch nie verstanden, der arme Mann, aber sie wusste, dass er sie liebte. „Bist du dir wirklich sicher?", vergewisserte er sich.
    Melisande lächelte ihn an. So wenig sie auch miteinander gemein haben mochten, Harold war ihr Bruder, und sie liebte ihn nicht minder. „Das bin ich."
    Er nickte bedächtig, wenngleich noch immer sichtlich irritiert. „Dann werde ich Lord Vale eine Nachricht schicken, dass ich seinem Besuch mit Freuden entgegensehe."
    „Danke, Harold." Melisande legte Messer und Gabel feinsäuberlich nebeneinander auf ihrem Teller ab. „Und wenn ihr mich nun bitte entschuldigt, es war ein langer Tag."
    Sie stand auf — wohl wissend, dass Harold und Gertrude die Neuigkeit noch ausführlich beleuchten würden, kaum dass sie das Zimmer verlassen hatte. Hundepfoten wetzten hinter ihr auf den Holzdielen, als sie auf den Korridor hinaustrat — in dem Düsternis herrschte, denn auch hier machte sich Gertrudes Sparsamkeit bemerkbar.
    Dass sie verwundert waren, war kaum anders zu erwarten gewesen. Melisande hatte viele Jahre nicht das geringste Interesse daran gezeigt, sich zu verheiraten. Nicht seit ihrem fatalen Verlöbnis mit Timothy. Und das war lange her. Seltsam, wie sehr es sie mitgenommen hatte, als Timothy sie verlassen hatte. Alles, was sie damals verloren hatte, war ihr unerträglich geworden. Ihre Empfindungen waren so stark, so verzehrend gewesen, dass sie gemeint hatte, die Zurückweisung nie verwinden zu können und vor Kummer zu sterben. Am ganzen Leib hatte sie es gespürt, ein tiefer Schmerz, der in sie gefahren war und alles Gefühl zunichtegemacht hatte. Solche

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