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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Qual wollte sie nie wieder durchstehen.
    Melisande bog um eine Ecke und begann die Treppe hinaufzugehen. Seit Timothy hatte sie nur wenige Verehrer gehabt, und mit keinem von ihnen war es ihr ernst gewesen. Harold und Gertrude hatten sich wahrscheinlich längst damit abgefunden, dass sie bis ans Ende ihrer Tage bei ihnen leben würde. Doch die beiden hatten nie auch nur erkennen lassen, dass sie ihrer überdrüssig wären. Dafür war Melisande ihnen dankbar. Anders als anderen alten Jungfern hatte man ihr nie das Gefühl gegeben, eine Last zu sein.
    Oben angekommen bog sie in den Korridor ein, der zu den Privatgemächern führte. Ihres war das erste auf der rechten Seite. Sie schloss die Tür hinter sich, und Mouse, ihr kleiner Terrier, sprang sogleich aufs Bett. Dort drehte er sich dreimal im Kreis, ehe er sich auf der Decke niederließ und seine Herrin gespannt ansah.
    „Hattet Ihr auch einen anstrengenden Tag, Sir Mouse?", fragte Melisande an den Terrier gewandt.
    Beim Klang ihrer Stimme legte der Hund den Kopf schräg. Seine schwarzen Knopfaugen funkelten, die Ohren — das eine weiß, das andere braun — standen gespitzt. Im Kamin brannte ein kleines Feuer, und mit einem Span zündete sie reihum Kerzen in dem kleinen Zimmer an. Das Mobiliar war spärlich, doch mit Sorgfalt gewählt. Das Bett war schmal, die Pfosten hingegen kunstvoll gedrechselt, das Holz von golden schimmerndem Braun. Die Bettdecke war schlicht weiß, doch die Laken darunter waren aus feinster Seide. Vor dem Kamin stand nur ein einziger Stuhl; dessen Lehnen waren vergoldet und der Sitz in Gold und Purpur bestickt. Dies war ihr Refugium. Der Ort, an dem sie so sein konnte, wie sie war.
    Melisande trat an ihren Schreibtisch und betrachtete die Papiere, die sich dort stapelten. Sie hatte ihre Übersetzung des Märchens fast beendet, aber ...
    Es klopfte an der Tür. Mit einem Satz sprang Mouse vom Bett und kläffte die Tür an, als stünde eine Räuberbande davor.
    „Still, Mouse." Melisande schob ihn mit der Fußspitze sanft beiseite und öffnete die Tür.
    Eines der Dienstmädchen stand draußen und knickste. „Bitte, Miss, könnte ich wohl mit Ihnen sprechen?"
    Melisande hob die Brauen und nickte, trat dann beiseite, um das Mädchen einzulassen. Mouse knurrte leise. Das Mädchen betrachtete ihn mit Argwohn und machte einen großen Bogen um den Hund.
    Nachdem Melisande die Tür wieder geschlossen hatte, sah sie das Mädchen an. Hübsch war es, mit goldblonden Locken und frischen, rosigen Wangen. Zudem trug es ein — für ihre Verhältnisse — recht elegantes, grün bedrucktes Kattunkleid. „Du bist Sally, nicht wahr?"
    Das Mädchen knickste erneut. „Ja, Ma'am, Sally aus der Küche. Ich habe gehört ..." Sally schluckte, presste die Augen zusammen und ratterte dann rasch herunter: „Ich habe gehört, dass Sie Lord Vale heiraten werden, Ma'am, und wenn dem so ist, würden Sie ja dieses Haus verlassen und bei ihm leben und eine Viscountess sein, und wenn Sie eine Viscountess wären, Ma'am, bräuchten Sie auch eine Kammerzofe, die Ihnen die Haare und die Kleider so macht, wie es sich gehört, und wenn ich das sagen darf, Ma'am, aber bislang sind Sie nicht ganz so ..." Entsetzt hielt sie inne, riss die Augen auf und sah Melisande an, als fürchte sie, etwas furchtbar Falsches gesagt zu haben. „Ich meine natürlich nicht, dass Ihre Frisur und Ihre Garderobe nicht in Ordnung wären, natürlich nicht, Ma'am, nicht dass Sie mich falsch verstehen, aber sie sind nicht ... nicht ..."
    „Nicht so, wie man es von einer Viscountess erwarten würde", schloss Melisande trocken.
    „Na ja, nein, Ma'am. Also, doch, wenn Sie verzeihen, dass ich das sage, Ma'am", stammelte Sally und holte tief Luft, ehe sie fortfuhr. „Was ich fragen wollte, ist — und ich wäre Ihnen wirklich so dankbar, wenn Sie mich nehmen würden, wirklich, Sie würden es nicht bereuen, Ma'am — also, ich wollte fragen, ob Sie mich als Ihre Kammerzofe mitnehmen würden?"
    Sallys Wortfluss versiegte jäh. Mit offenem Mund stand sie da und starrte Melisande so erwartungsvoll an, als könnten deren nächstes Wort über ihr Schicksal entscheiden.
    Was gar nicht einmal so falsch war, lagen doch Welten zwischen dem Rang eines Küchenmädchens und dem einer Kammerzofe. Melisande nickte. „Ja."
    Sally blinzelte. „Ma'am?"
    „Ja, du kannst gern als meine Kammerzofe mit mir kommen."
    „Oh!" Sally riss die Arme hoch, und im ersten Augenblick schien es, als wolle sie Melisande vor lauter

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