Das Geheimnis meiner Mutter
er hat Bargeld von Strafzetteln genommen und in den Akten vermerkt, dass die Geldstrafen in Sozialstunden umgewandelt worden sind. Und dafür war er noch nicht einmal autorisiert.“ Nina brodelte. „Der Bastard. Ich kann es gar nicht erwarten …“
„Sag noch nichts zu Alger.“
„Zu spät.“ Nina trat zur Seite und bedeutete Matthew Alger einzutreten. Sie durchbohrte ihn mit einem stechenden Blick. „Rourke empfahl mir, dir noch nichts zu sagen“, sagte sie mit wütender Stimme. „Ich bin mir sicher, dass er damit recht hat, aber ich muss zugeben, dass ich keine Erfahrungen mit Stadtangestellten habe, die stehlen. Du bist der Erste.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon zum Teufel du sprichst.“
Der Klassiker, dachte Rourke. Diesen Spruch hörte er in seinem Job jeden Tag, und meistens war es glatt gelogen. Alger log auch. Er sah es in dem flackernden Blick, an der Körperhaltung, wie eine Hand die andere bedeckte.
„Wirst du ihn jetzt festnehmen?“, wollte Nina wissen.
Gott schütze ihn vor Menschen, die ihm in seinem Job „helfen“ wollten. „Wir rufen den staatlichen Rechnungsprüfer an“, sagte Rourke und machte sich eine Notiz. „Gleich jetzt.“
Nina schnappte sich den Ausdruck. „Aber was ist mit …“
Der Summer ertönte. Rourke reckte den Hals, um zu sehen, wer vorne am Empfang stand. „Ja?“
„Hier sind drei Teenager, die zu Ihnen wollen, Chief“, sagte sein Assistent.
Rourke schaute Alger an. „Wir sind hier für den Moment fertig.“ Dann wandte er sich wieder der Gegensprechanlage zu. „Schick sie rein.“ Ein Besuch von drei Teenies war nicht ungewöhnlich. Dank seiner Jugendgruppe empfanden viele Jugendliche ihn als zugänglich und als Problemlöser.
Er stand auf und öffnete die Tür. Zu seiner Überraschung traten Zach Alger, Sonnet Romano und Daisy Bellamy ein. Sie trugen Outdoorkleidung, an ihren Rucksäcken baumelten Schneeschuhe, und ihre Wangen waren vor Kälte ganz rot. Alger war eindeutig ebenfalls überrascht. Er funkelte Zach an. „Steckst du in irgendwelchen Schwierigkeiten?“, fragte er.
Rourke konnte sehen, dass Nina sich auf die Zunge biss. Er wusste, dass sie Alger nicht vor den Kindern beschuldigen würde – aber nur zum Schutz der Kinder.
„Nein, Sir“, erwiderte Zach und schaffte es, das „Sir“ wie eine Beleidigung klingen zu lassen. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Endlich ging Matthew Alger zur Tür. „Ich bin in meinem Büro.“
„Auf Wiedersehen, Mr Alger“, sagte Sonnet wohlerzogen.
Dann stieß sie Zach in die Seite, und er sagte: „Bis später, Dad.“
Die drei sahen ihm nach, was Rourke Zeit gab, seine Besucher genauer zu betrachten. Eine Angewohnheit von ihm. Eine kurze Musterung konnte ihm sagen, ob ein Kind in einen Streit geraten oder überfallen worden war, ob es Drogen nahm oder unter Schock stand. Rourke wusste sogar auch ohne weitere Hinweise, ob ein Kind log. Die drei Jugendlichen vor ihm strahlten jedoch nur eine Mischung aus Beunruhigung und … vielleicht Angst aus. Daisy Bellamy, die er kaum kannte, sah besonders blass und durcheinander aus. Sie trug eine Kamera um den Hals, die sie unbewusst mit ihren Händen schützte.
„Wie ich sehe, wart ihr draußen wandern“, sagte er in der Hoffnung, sie zum Reden zu bringen.
„Stimmt.“ Sonnet trat vor.
„Ihr seht darüber allerdings nicht besonders glücklich aus. Ich dachte, ihr liebt Tage, an denen es schneefrei gibt.“
„Wir sind heute mit den Schneeschuhen wandern gegangen“, sagte Daisy.
„Auf dem Weg über den Meerskill Falls“, fügte Zach hinzu.
„Wir hatten die Erlaubnis“, ergänzte Sonnet. „Der Weg liegt auf Camp-Kioga-Gebiet, und Daisy sagte, es wäre okay.“
Der Weg hinauf zu den Meerskill Falls und weiter war nicht besonders gut ausgeschildert, aber zu dritt war es vermutlich ausreichend sicher gewesen. In dieser Gegend brachten sich die Kinder in die gleichen Schwierigkeiten wie überall woanders auch. Hier gab es nur mehr schöne Plätze dafür.
„Wir wollten die Eishöhlen auskundschaften“, fuhr Daisy fort. Ihre Stimme zitterte merklich, genau wie ihre Hände, mit denen sie nun die Kamera anschaltete und zu ihm umdrehte, damit er den kleinen Monitor sehen konnte. „Wir haben auch eine gefunden. Besser gesagt, Sonnet hat sie gefunden. Ich habe ein paar Fotos gemacht.“
Seltsam, dass diese Kids nicht alle auf einmal sprachen. Normalerweise konnten Jugendliche in dem Alter es doch gar nicht erwarten, mit allem
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