Das Geheimnis von Digmore Park
Bishop war ein Mann, dem er vertraute, und er wusste, dass auch er das Vertrauen des Pfarrers genoss. Er würde Charlie am nächsten Morgen nicht zu seinem Elternhaus Digmore Park schicken, wie er dies ursprünglich vorgehabt hatte. Nein, er würde ihn nach Winchester reiten lassen, um den Pfarrer hierherzuholen. Kaum hatte er diesen Entschluss gefasst und endlich einen Weg gefunden, sich bald Klarheit über seine schlimme Lage zu verschaffen, da war er auch schon eingeschlafen.
4. Kapitel
Major Frederick Dewary musste sich bis zu den Nachmittagsstunden des nächsten Tages gedulden, bis er seinem Freund gegenüberstand. Was für eine harte Probe! Zumal er sich entschlossen hatte, das muffige Zimmer nicht zu verlassen. Um nichts in der Welt wollte er Gefahr laufen, doch noch erkannt zu werden. So hatte er sich das Frühstück und auch den Lunch ins Zimmer bestellt und konnte nur hoffen, dass der Pfarrer ausreichend finanzielle Mittel mitbringen würde, um ihn auszulösen. Er selbst hatte nämlich seine gesamte Barschaft Charlie ausgehändigt, damit dieser an der Poststation ein Pferd mieten und nach Winchester reiten konnte. Er hatte ihm die strikte Anweisung erteilt, mit niemandem zu sprechen.
„Wenn es sich vermeiden lässt, dann sagst du auch Mr. Bishop nicht, wer ihn zu sich bittet“, hatte er ihm eingeschärft. Auch wenn er dies nicht wirklich befürchtete, so bestand doch ein letzter Rest an Gefahr, dass sich Simon Bishop weigern würde, einem Freund zu Hilfe zu eilen, dem man ein derart schweres Verbrechen zur Last legte. „Und denk an das Geld! Wir müssen hier Quartier und Zeche begleichen.“
Ein Pferd zu mieten war ein Leichtes gewesen, und Charlie erreichte Winchester in den frühen Mittagsstunden. Die Wegbeschreibung seines Herrn war so vortrefflich, dass er die Kirche von St. Ann ohne langes Suchen fand. Damit war sein Glück jedoch vorerst zu Ende.
„Es tut mir so leid, mein Herr, aber der Pfarrer musste zu einer Beerdigung. Wusste er denn, dass Sie ihn aufsuchen würden?“ Die freundliche Haushälterin schüttelte bedauernd den Kopf. „Den alten Jacobs hat’s erwischt, müssen Sie wissen. Er war ein braver Mann und hat sein Leben lang hart gearbeitet. Traurige Sache!“
„Sicherlich“, bestätigte der Diener. Und da er das Gefühl hatte, man erwarte eine traurige Miene, bemühte er sich um einen entsprechend ernsten Blick. „Wann erwarten Sie den Pfarrer zurück?“
„Ach, das kann noch gut und gerne eine Stunde dauern. Kommen Sie doch herein und setzen Sie sich zu mir in die Küche. Wir werden uns die Zeit mit einem netten Schwätzchen vertreiben.“
Also trat Charlie ein, bekam zu essen und zu trinken und hörte mit halbem Ohr der Haushälterin zu, die ihn in die Familiengeheimnisse der Pfarrgemeinde einweihte. Es war wirklich zu dumm, dass er den Pfarrer nicht angetroffen hatte! Geduld war nicht Major Dewarys stärkste Seite. Es war höchste Zeit, dass er mit Mr. Bishop nach Southampton zurückkehrte und seinen Herrn aus der miefigen Kammer befreite. Wenn der Pfarrer überhaupt mit ihm kam. Der Major hatte gut reden! Er solle Mr. Bishop gegenüber seinen Namen nicht erwähnen! Aber wie sollte er ihn dann davon überzeugen, alles stehen und liegen zu lassen, um ihn zu begleiten? Charlie war es gewohnt, Befehle auszuführen. Selbstständig zu denken oder gar sich eine Strategie zurechtzulegen war nicht seine Sache. Der Umstand, dass der Pfarrer bei einem Begräbnis war, brachte ihn jedoch auf eine Idee.
Und als Simon Bishop endlich, müde von seinen Pflichten und abgespannt, nach Hause kam, erwartete ihn der Bursche mit der Nachricht, dass ein reicher Adeliger in Southampton im Sterben liege und dringend um seinen, Simon Bishops höchstpersönlichen Beistand gebeten habe. Der Pfarrer war alles andere als begeistert. In Southampton gab es genug Pfarreien, und da würde sich doch ein Geistlicher finden, um dem armen Mann beizustehen. Wie kam er dazu, so eine weite Reise auf sich zu nehmen? Noch dazu für einen Mann, den er nicht kannte?
„Dass Sie ihn nicht kennen, würde ich nicht sagen“, erklärte der Bursche listig, weigerte sich aber standhaft, den Namen seines Auftraggebers zu nennen. Nie hätte der Pfarrer zugegeben, dass ihn die Neugier dazu trieb, nach einem raschen Mahl wieder zu seinem Kutschermantel zu greifen. „Also, dann reite vor mir her, Bursche, und weise mir den Weg.“
Charlie entdeckte an einem schweren Haken neben der Tür einen braunen Umhang, den der
Weitere Kostenlose Bücher