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Das Geheimnis von Digmore Park

Das Geheimnis von Digmore Park

Titel: Das Geheimnis von Digmore Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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können, Henry, anstatt dich schweigend neben dem Kamin zu verstecken.“
    Dieser Vorwurf galt, wie Elizabeth nun feststellte, einem eleganten Gentleman, der hinter ihr stand, zwischen Tür und Kamin, und die Szene mit einem Lächeln unter seinen gesenkten Lidern beobachtet hatte. Als sie ihrem Bruder so unerwartet gegenüberstand, hatte sie den Mann gar nicht wahrgenommen. Dafür wurde ihr seine Gegenwart nun umso stärker bewusst. Hatte sie wirklich vor einer knappen Stunde noch gedacht, es gäbe in Winchester nicht die geringste Möglichkeit, einen passenden Gatten kennenzulernen? Nun, dieser Gentleman schien sogar äußerst passend zu sein. Er war nicht einfach ein junger Mann, nein, Clara hätte ihn in ihrem Überschwang sicher mit einem griechischen Gott verglichen. Die dunklen, fast schwarzen Locken trug er zu einer modischen Windstoßfrisur gebürstet, seine breiten Schultern steckten in einem eleganten marineblauen Kutscherrock mit goldenen Knöpfen und die biskuitfarbenen Beinkleider in blank polierten schwarzen Lederstiefeln, deren breite, helle Stulpen nach der neuesten Mode mit Quasten geschmückt waren. Und sie hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als in einem schlichten, grau-blau-gelb gestreiften Musselinkleid dazustehen und ihrem Bruder eine Standpauke zu halten! Wenn sie doch wenigstens etwas Schmuck angelegt oder zumindest ein seidenes Band in ihre Haare geflochten hätte! Er musste sie für Billys Gouvernante halten! Wie typisch für ihren Bruder, seinen Gast nicht rechtzeitig anzukündigen! Was würde der jetzt bloß von ihr denken?
    „Lizzy, darf ich dir einen ganz besonderen Freund vorstellen, Henry Fenton? Seit sein Onkel vor drei Jahren so freundlich war, das Zeitliche zu segnen, ist er der Viscount of Linworth. Henry, das ist meine Schwester Elizabeth, von der ich dir schon so viel erzählt habe.“
    Elizabeth beeilte sich, mit einem strahlenden Lächeln das Versäumte wiedergutzumachen. Er ergriff ihre Hand, um sich galant darüber zu verbeugen. Als er den Kopf wieder hob, trafen sich kurz ihre Blicke. Das Lächeln in seinen Augen verschlug ihr für einen Moment den Atem. Noch nie hatte sie einen Mann getroffen, der so viele Vorzüge in sich vereinte: angenehme Manieren, ein beglückendes Lächeln und eine angesehene Familie. Ein Blick in seine Augen reichte, um zu wissen, dass Lord Linworth auch über Humor verfügte. Sicher war er intelligent. Seine breiten Schultern zeugten davon, dass er auch sportlicher Betätigung nicht abgeneigt war. Nichts erinnerte an das altmodische Äußere und die missmutigen Gesichtszüge ihres lästigen Verehrers Charles Bavis. Nichts an dessen moralinsaure Predigten, mit denen er sie stets aufs Neue langweilte. Dieser Mann hier war sicher nicht langweilig. Woher Billy ihn wohl kannte? Lord Linworth war mindestens zehn Jahre älter als ihr Bruder. Sie schätzte ihn auf Ende zwanzig. Was mochten die Gründe für einen Mann seines Alters sein, die Freundschaft eines Siebzehnjährigen zu suchen? Elizabeth schüttelte kaum merklich den Kopf. Mutter und Clara hatten recht, sie grübelte zu viel!
    „Willkommen auf Portland Manor, Eure Lordschaft!“ Ihr freundliches Lächeln kam von Herzen. „Wenn du mich kurz entschuldigen willst, Mama, ich möchte der Haushälterin Bescheid geben, das grüne Gästezimmer für seine Lordschaft vorzubereiten. Sie bleiben doch einige Tage bei uns, nicht wahr, Mylord?“
    In Lord Linworths Augen blitzte es amüsiert. Hatte ihre Stimme bei den letzten Worten für fremde Ohren etwa ebenso flehentlich geklungen, wie sie sich für sie selbst angehört hatte? Rasch machte Elizabeth kehrt, um den Raum zu verlassen, doch Billy ergriff sie an ihrer Schulter und führte sie zu dem kleinen Stuhl an Lady Portlands linker Seite. „Das ist nicht nötig, Schwesterchen, ich habe die gute Betty schon darum gebeten. Komm, nimm Platz. Und dann erzähl mir alles, was sich in den letzten Monaten hier auf Portland Manor ereignet hat. Ich will jede Einzelheit wissen.“
    Er wandte sich an seinen Freund und setzte dann mit einem stolzen Blick auf seine Schwester hinzu: „Lizzy kümmert sich hier so lange um den Landsitz und all meine Belange, bis ich volljährig bin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einem anderen Mann auf dieser Welt das Glück beschieden ist, solch eine Schwester zu haben.“
    Elizabeth errötete über dieses überschwängliche Lob. Sie freute sich, dass Billy all ihre Mühe und ihre Arbeit für Portland Manor zu schätzen wusste.

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