Das Geheimnis von Digmore Park
verschonten. Also lächelte sie tapfer.
„Es geht wirklich schon viel besser, Mama. Noch ein paar Tage, und ich habe vergessen, dass ich überhaupt Schmerzen hatte.“
Mylady legte ihr die Hand auf den Unterarm. „Das freut mich für dich, Lizzy.“
Sie drehte sich zu Jeremy, dem Hausdiener, um. „Sie können abservieren, Matthew.“
Matthew war Jeremys Vorgänger gewesen. Er hatte Portland Manor vor vier Monaten verlassen, um den Bauernhof seines Onkels zu übernehmen. Elizabeth hatte es in der Zwischenzeit längst aufgegeben, ihre Mutter zu verbessern, wenn sie ihn mit Matthew ansprach. Und der Bursche selbst hatte sich anscheinend an den Namen gewöhnt und tat, wie ihm geheißen. Als er den Raum verlassen hatte, wechselten Mutter und Tochter in den Salon. Elizabeth nahm auf ihrem Sofa Platz. Wie jeden Abend stand ein Glas warmer Milch für sie bereit. Mama schenkte sich selbst ein Glas Sherry ein und setze sich zu ihr. Dabei ließ sie, wie nebenbei, mit bewusst harmlosem Tonfall, eine Frage fallen.
„Clara sagt, Mr. Bavis habe um deine Hand angehalten?“
Elizabeth verschluckte sich fast an ihrer Milch.
„Du hast Clara getroffen?“
„Ja“, sagte Mama freundlich, „hatte ich das noch nicht erwähnt? Sie verließ eben den Salon der Schneiderin, als ich daran vorbeifuhr. Ich war auf dem Weg zur Patisserie und dachte, es sei eine gute Idee, Clara dorthin mitzunehmen. Deine Freundin hat einen exzellenten Geschmack.“
… und eine lockere Zunge, wie mir scheint!, setzte Elizabeth in Gedanken dazu. Sicher hatte Mama Clara nicht nur wegen ihres Geschmacks mitgenommen. Wahrscheinlich war da auch eine Spur Neugier dabei gewesen.
„Was genau hat dir Clara erzählt?“
Es war nicht klug gewesen, ihrer Mutter nichts von Mr. Bavis’ Absichten zu erzählen. Dabei hatte sie nur verhindern wollen, dass sich Mama falsche Hoffnungen machte. Welche Mutter wollte ihre Tochter nicht unter der Haube wissen? Noch dazu, wenn sie bereits über zweiundzwanzig Jahre alt war und sich weit und breit kein passenderer Verehrer zeigte. Andererseits hatten Mama und sie ein besonders gutes Verhältnis zueinander. Sie wollte keinesfalls, dass sie dachte, sie hätte zu wenig Vertrauen zu ihr, um ihr eine wichtige Neuigkeit mitzuteilen. Für sie selbst war die Neuigkeit nämlich gar nicht so wichtig gewesen. Für Mama aber anscheinend schon.
„Wie ich schon sagte: Clara meinte, Mr. Bavis habe um deine Hand angehalten und du hättest seinen Antrag abgelehnt! Ist da etwas Wahres dran, Elizabeth?“
„Und wenn etwas Wahres dran wäre?“, erkundigte sich ihre Tochter vage. Hoffentlich war Mama nicht ernsthaft böse.
Ihre Ladyschaft lachte. „Ich würde sagen, du hast richtig gehandelt, meine Liebe. Auch wenn ich es natürlich vorgezogen hätte, das von dir persönlich zu erfahren!“
„Ich habe richtig gehandelt?“ Sie hatte sich doch nicht verhört?
„Aber gewiss! Wie kommt dieser dahergelaufene Mr. Bavis dazu, zu glauben, er sei gut genug für dich? Dieser aufgeblasene kleine Landadelige!“
„Mama! Wenn ich gewusst hätte, dass du ihn auch nicht leiden kannst …“
„Ihn nicht leiden können?“, fuhr Mylady auf. „Es ist nicht so, dass ich ihn nicht leiden kann. Nein, er ist einfach ein Mann, dem ich keinerlei Beachtung schenke!“ Sie schnippte mit dem Zeigefinger über den Ärmel ihres Seidenkleides. „Pff, so viel ist er mir wert!“
Elizabeth lachte. „Mama, deine Arroganz ist manchmal unmöglich!“
Mylady stimmte in ihr Lachen ein. „Ja, nicht wahr?“, sagte sie vergnügt.
„Wenn Mr. Bavis nicht mehr Beachtung verdient als ein Staubkorn, dann ist das aber doch ein Zeichen dafür, dass du ihn nicht magst.“ Diesen Einwand konnte sich ihre Tochter nicht verkneifen.
„Das ist ein Zeichen dafür, dass ich seine Mutter nicht mag“, korrigierte Mylady. „Mabel Bavis ist die langweiligste Person, die ich kenne. Nie und nimmer verdient ihr Sohn eine Frau wie dich!“
„Wer verdient mich dann?“
„Ein Earl! Mindestens!“, rief Mylady aus.
Elizabeth hielt die Luft an und schüttelte dann den Kopf über so viel Überschwang. „Ja, warum nicht, Mama? Und dabei kennen wir nicht einen einzigen Earl persönlich, nicht wahr?“
Ihre Ladyschaft schien den leicht spöttischen Unterton in den Worten ihrer Tochter überhört zu haben. „Ich hatte einmal eine Freundin, die einen Earl geheiratet hat“, sagte sie schließlich, „Catherine Dashwood aus Tunbridge Wells. Sie war das schönste Mädchen in
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