Das Geheimnis von Digmore Park
aufgefallen. Warten Sie, bis die Nachmittagssonne in Ihr Zimmer scheint! Dann werden die Blumen in ein sanftes, warmes Licht getaucht. Sie werden begeistert sein!“
„Wie schön Sie das ausgedrückt haben, meine Liebe! Wir haben auf Portland Manor auch einen hinreißenden Rosengarten“, beeilte sich Mylady zu verkünden. „Meine Tochter hat eine Vorliebe für diese edelsten der Blumen. Vor wenigen Tagen erst hat sie einen wunderbaren Strauß für die Eingangshalle zusammengestellt!“
„Wirklich?“ Elizabeth war sich nicht sicher, ob sie in Lady Bakerfields Antlitz nur Überraschung oder auch einen Hauch von Geringschätzung entdeckte, „das erledigen bei uns die Diener.“
Wäre Elizabeth jünger und vor allem nicht so gut erzogen gewesen, sie hätte ihre Gastgeberin von hinten ganz fest an ihren dunklen Locken gezogen. Lady Bakerfield war ihre Unverfrorenheit entweder wieder einmal nicht aufgefallen, oder sie tat zumindest so. Mit strahlender Miene wandte sie sich zu Elizabeth um. „Und Sie, liebe Miss Porter, bewohnen derzeit das gelbe Zimmer. Die Brokatvorhänge hat meine Schwiegermutter knapp vor ihrem … Ableben selbst ausgesucht.“
Es war sicherlich kindisch, dennoch wäre es Elizabeth lieber gewesen, sie hätte das nicht erfahren. So würde sie die Vorhänge nicht mehr ansehen können, ohne stets an Lady Barbara und ihren mysteriösen Tod erinnert zu werden. Lady Bakerfield hatte gesagt, sie habe ihre Schwiegermutter nicht gekannt. Sie und Edward konnten also erst seit ganz kurzer Zeit verheiratet sein. War es nun ihrerseits unverschämt, sie darauf anzusprechen? Lady Bakerfield war bereits weitergeeilt, den Flur hinunter. Mit geröteten Wangen wies sie auf die nächsten Türen. „Hier finden wir noch das blaue und das grüne Gästezimmer. Lady Barbara hat auch diese Räume eingerichtet, allerdings schon vor Jahren. Sie hat dabei einen erlesenen Geschmack bewiesen, das muss ich anerkennen. Natürlich ist alles etwas veraltet, und es wird höchste Zeit, dass wir einiges modernisieren.“
Lady Portland wollte gerade einwerfen, dass das doch sehr schade wäre, da die Räume in der Tat von vortrefflicher Eleganz waren, doch Lady Bakerfield sprach bereits weiter: „Ich habe eben in einem Journal herrliche ägyptische Vasen gesehen. Und diese außergewöhnlichen Stühle, deren Beine den Tatzen von Löwen gleichen. Haben Sie schon von diesen Möbeln gehört, Mylady? Sind sie nicht fantastisch?“
Lady Portland hatte noch nichts von Möbeln mit Löwentatzen gehört, und wenn sie es sich recht überlegte, bedauerte sie diesen Umstand auch nicht.
„Ich bin sofort zu meinem lieben Bakerfield gelaufen und habe ihm das Journal gezeigt. So eine Sitzgruppe muss ich unbedingt haben. Sie ist der letzte Schrei! Sogar der Prinzregent soll derartige Möbel für seinen prächtigen Palast in Brighton vorgesehen haben. Außerdem möchte ich einen schwarzen Pagen. Im Journal steht, eine Lady komme nicht mehr ohne einen solchen Diener aus …“
„Um Himmels willen!“, rief Lady Portland und machte aus ihrem Abscheu keinen Hehl. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“
Bevor ein Disput zwischen den beiden Damen ausbrechen konnte, meldete Elizabeth sich zu Wort: „Wie lange sind Sie denn schon verheiratet, Mylady?“
Ihre Mutter verharrte im Schritt, wandte sich ihr zu und riss überrascht die Augen auf. Elizabeth wartete gespannt auf eine Antwort. Lady Bakerfield war viel zu stolz, als dass sie die Frage unverschämt gefunden hätte. „Seit wenigen Monaten, Miss Elizabeth, und ich bin noch nie in meinem Leben so glücklich gewesen!“
„Oh, so kurz erst, meinen herzlichen Glückwunsch!“
Während Elizabeth ihrer Gastgeberin zulächelte, arbeitete es fieberhaft in ihrem Kopf. Hieß das etwa, dass die beiden erst nach Lady Barbaras Tod geheiratet hatten?
Ihre Mutter, durch die Kühnheit ihrer Tochter ermutigt, hielt es für angebracht, diese Frage laut zu stellen. Lady Bakerfields Gesichtszüge wurden ernst. „Nein, nein, Mylady, wir waren schon vermählt, als … es geschah.“ Sie öffnete die gegenüberliegende Tür. „Und hier haben wir den gelben Empfangssalon.“ Sie trat zur Seite und ließ ihre Gäste eintreten.
Schwarze Stühle im Hepplewhitestil bildeten einen eleganten Kontrast zum weißen Stuck der Kaminumrandung. Die Tapete mit zarten gelben Rosenranken trug eindeutig die Handschrift einer Frau. Auch die Scherenschnitte in schwarzen Rahmen waren wohl kaum von einem Mann ausgewählt
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