Das Geheimnis von Mulberry Hall
Stourbridge war und nach der Scheidung von seiner Ehefrau Molly auch von seinen drei Söhnen gemieden wurde.
Natürlich fand Lexie das Verhalten der drei Brüder entsetzlich. Den eigenen Vater dafür zu verurteilen, dass er sich in eine freundliche, hübsche Frau wie ihre Großmutter verliebt hatte. Keiner von ihnen hatte es für nötig gehalten, die neue Frau im Leben ihres Vaters kennenzulernen. Sonst hätten sie vielleicht begriffen, dass Sian weit vom Bild der Femme fatale entfernt war, das offenbar in ihren Köpfen herumspukte. Und sie hätten mit eigenen Augen gesehen, wie aufrichtig ihr Vater von seiner neuen Begleiterin geliebt wurde. Eine Liebe, die er von Herzen erwidert hatte.
Bis zur Beerdigung von Alexander vor etwa acht Jahren hatte Lexie keinen der drei Söhne je zu Gesicht bekommen. Wie es das Protokoll verlangte, arrangierten und besuchten sie die Trauerfeier ihres Erzeugers in der kleinen Dorfkirche von Stourbridge.
Auch Lexie war an jenem Tag dort. Und zwar mit sturer Entschlossenheit, nachdem ihrer Großmutter durch die Familie St. Claire unmissverständlich klargemacht worden war, wie unerwünscht Sians Anwesenheit sei. Lexie wollte ihre Familie bei diesem traurigen Anlass würdig vertreten, und sie blieb während der Zeremonie stumm und betroffen im hinteren Bereich der Kirche stehen.
Den starren, abweisenden Lucan St. Claire erkannte sie sofort von den Fotos wieder, die sie vorher in verschiedenen Magazinen gesehen hatte. Auch der jüngste Bruder war leicht zu identifizieren, denn schließlich handelte es sich bei ihm um den berühmten Schauspieler Jordan Simpson. Dann musste also der attraktive blonde Mann neben ihnen sein älterer Bruder Gideon sein.
Aber Lexies Großmutter, die von Alexander St. Claire zärtlich geliebt worden war und die vergangenen siebzehn Jahre lang glücklich mit ihm zusammengelebt hatte, war bei dieser Beerdigung nicht anwesend. Allein das würde Lexie dieser überheblichen Familie niemals verzeihen. Vor allem nicht dem Kopf der Bagage, Lucan St. Claire, dem fünfzehnten Duke von Stourbridge.
Allerdings benutzte Lucan seinen Titel nicht, was vermutlich ein weiterer Affront gegen seinen verstorbenen Vater sein sollte.
Kühl sah sie zu Lucan auf. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Mr St. Claire?“
Er hielt sich selbst nicht gerade für einen eitlen Mann. Zugegeben, er war kaltschnäuzig, manchmal sogar regelrecht rücksichtslos, und vor allem Fremden gegenüber extrem abweisend. Und ihm war durchaus klar, dass sich all die hübschen Models und Schauspielerinnen nur von seinem Geld und seinem Einfluss angezogen fühlten – und ganz sicher nicht von wirklich persönlichen Qualitäten, die er vielleicht besaß oder auch nicht besaß.
Aber davon einmal abgesehen war Lexies Verhalten, das zwischen Ablehnung und offensiver Verachtung schwankte, vollkommenes Neuland für ihn. So hatte sich noch keine Frau in seiner Gegenwart benommen!
Gar nicht so uninteressant …
„Ein wenig Respekt könnte nicht schaden“, sagte er sarkastisch.
Gleichgültig hob sie eine Schulter. „Meine Eltern brachten mir bei, dass man sich Respekt verdienen muss. Er wird einem nicht einfach so geschenkt.“
Ihr herausfordernder Ton traf ins Schwarze, und Lucan unterdrückte einen Fluch. „Ich möchte, dass Sie um zehn an unserem Meeting teilnehmen und Protokoll führen“, sagte er knapp.
„Tja, dafür werde ich ja auch bezahlt“, entgegnete sie ironisch.
Seine Geduld mit diesem impertinenten Wesen war so gut wie am Ende. „Sollten Sie diese unmögliche Haltung, die Sie an den Tag legen, nicht schleunigst ändern, muss ich mich bei Ihrer Agentur beschweren. Dann sind Sie weder für diese noch für irgendeine andere Anstellung geeignet“, warnte er sie.
Er hatte nicht unrecht, und Lexie ärgerte sich darüber, wie wenig sie sich und ihr Temperament im Griff hatte. Vor allem in seiner Gegenwart! Aber immerhin war er ein zahlender Kunde und zudem äußerst bekannt und steinreich. Sie wollte ihre Eltern nach deren Silberhochzeitsreise nicht mit der Nachricht überraschen, dass sie in nur wenigen Tagen den über zwanzig Jahre hart erarbeiteten Ruf des Familienbetriebs ruiniert hatte.
„Wollen Sie mir nicht wenigstens für ein paar Stunden die Gelegenheit geben, meine Fähigkeiten zu beweisen, bevor Sie sich beschweren?“, sagte sie etwas versöhnlicher.
Obwohl Lexie sich um einen freundlichen, offenen Gesichtsausdruck bemühte, bemerkte Lucan einen herausfordernden Unterton in
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