Das Geheimnis von Turtle Bay
kippte nach hinten und versuchte, eine Position einzunehmen, um über Bord springen zu können, doch in dem Moment warf er bereits das Netz über sie. Es war eines von der besonders stabilen Sorte, um schwere und große Gegenstände aus dem Wasser zu heben. Nachdem er es so um sie gewickelt hatte, dass sie sich garantiert nicht befreien konnte, stieß er sie ins Wasser und hielt sie untergetaucht.
„Amelia, ist alles in Ordnung?“ , fragte jemand und holte sie so abrupt in die Wirklichkeit zurück, dass sie sich hastig von der Reling entfernte. Es war Cole DeRoca, der ungewohnt aufgebracht dreinblickte.
„Ja, mir geht es gut.“
„So sehen Sie aber nicht aus, und ich glaube, ich selbst sehe auch nicht so aus. Können Sie mir einen Gefallen tun und Ben herholen, ohne dass sich jemand etwas dabei denkt? Ich muss ihm etwas Wichtiges sagen.“
„Natürlich.“ Sie machte einen Schritt nach vorn, fühlte sich aber etwas wacklig auf den Beinen und griff wieder nach der Reling. „Es … es geht doch nicht um Bree, oder?“
„Nein. Und beeilen Sie sich bitte.“
Keine Minute später brachte sie Ben aufs Achterdeck.
„Ich habe mich unten in einem Vorratsraum umsehen wollen“ , ließ Cole die beiden wissen, „und bin dabei auf eine junge Frau gestoßen, die nackt und gefesselt ist. Sie ist aus Guatemala, und Verdugo hält sie hier fest, damit seine Leute sich an ihr vergehen können!“
„Jetzt haben wir den Mistkerl!“ , freute sich Ben und klatschte in die Hände. „Mir ist egal, welche Anwälte er auffährt. Wenn er eine Sexsklavin an Bord hat, dann bringe ich ihn für mindestens zehn Jahre ins Gefängnis. Und das Casino-Boot ist damit auch erledigt. Bingo!“
„Wir dürfen Verdugo aber noch nicht wissen lassen, was wir entdeckt haben, sonst gehen seine Leute auf uns los“ , warnte ihn Cole. „Die Frau muss da unten bleiben, bis wir wieder im Hafen sind oder bis die Küstenwache herkommt.“
„Die Ärmste kann da unten keine Sekunde länger bleiben!“ , rief Amelia. Beide Männer hatten offenbar vergessen, dass sie auch noch da war. Wie konnte Verdugo es nur wagen, eine Frau so zu behandeln!
„Dann müssen wir uns etwas ausdenken“ , redete Cole weiter. „Zum Beispiel, dass jemand krank geworden ist, damit Verdugo vorzeitig kehrtmachen muss.“
„Das kann ich übernehmen“ , bot sie sich an. „Ich werde eine akute Blinddarmentzündung vortäuschen. Aber anschließend möchte ich dieser jungen Frau helfen. Ja, Ben“ , verhinderte sie einen Einwand von seiner Seite, den er soeben hatte vorbringen wollen. „Ich weiß, man wird sie den Behörden übergeben. Aber jemand muss sich für sie einsetzen. Du wirst alle Hände voll zu tun haben, wenn das hier bekannt wird. Und Sie, Cole“ , fügte sie an und klopfte ihm auf die Schulter, „Sie haben wieder einer Frau das Leben gerettet. Wenn Bree das zu hören bekommt, wird sie ganz aus dem Häuschen sein. Aber diese junge Frau da unten muss völlig traumatisiert sein, vielleicht hegt sie sogar Selbstmordgedanken. Ich weiß, ich kann ihr helfen.“
Bree kämpfte um ihr Leben. Sie griff mit den auf den Rücken gebundenen Händen nach dem Metallrahmen des Netzes, weil sie Mark ins Wasser zu ziehen versuchte. Fühlte sich so ein Fisch, den man aus dem Wasser holte und der nur Luft schnappen konnte, die ihn letztlich erstickte? Daria, hast du dich so gefühlt, als du von unserem Boot in die Tiefe gezogen wurdest?
Cole. Sie hätte ihr Leben so gern mit Cole verbracht. Und sie wollte sich mit Amelia besser verstehen und ihren Jungs das Tauchen beibringen.
Sollte sie besser Ruhe bewahren und auf diese Weise kostbare Atemluft sparen? Sollte sie sich in ihr Schicksal ergeben? Nein, sie musste sich retten. Irgendwie musste ihr das gelingen.
Sonderbare Farben pulsierten vor ihren Augen, Blau- und Grüntöne, ein strahlendes Gold. So wie bei einem schönen Tauchgang. So wie die Sonne am Himmel über einer verlockend ruhigen See …
Sie würde jeden Moment Salzwasser einatmen … und sterben … dann würde sie Darias Hand halten und auf den weichen Boden sinken, um sich mit ihr unter das Seegras zu legen … Cole … ein lächelnder Cole, mit dem sie davonsegelte … Die hellen Farben begannen zu verblassen, wurden grau und dann schwarz. Sie war sich sicher gewesen, unter Wasser den Tod abwehren zu können. Die See war ihr Freund, aber sie hatte ihr Daria genommen, und jetzt … jetzt …
Plötzlich wurde sie hochgezogen. Ihr Kopf war wieder über
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