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Das Geheimnis von Turtle Bay

Das Geheimnis von Turtle Bay

Titel: Das Geheimnis von Turtle Bay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Harper
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Spiegelbild anschaute. Ihr Spiegelbild, das nach einer bestürzten Daria aussah, die ihr von der anderen Seite des Spiegels entgegenblickte.
    Sie zwang sich, den Blick abzuwenden, und stützte sich mit beiden Händen auf dem Waschbecken ab. „Dead woman walking“ , flüsterte sie und fühlte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. Ihr schauderte, als hätte sie in ihr eigenes Grab geschaut. Sie wusste, in gewisser Weise würde ihre tote Schwester immer bei ihr sein, mit ihr älter werden und ihr Aussehen verändern. Wie hätte Daria mit vierzig oder mit sechzig Jahren ausgesehen? Bree musste nur in den Spiegel schauen, wenn sie vierzig oder sechzig war, dann hatte sie die Antwort.
    Schließlich riss sie sich aber zusammen und begann systematisch Schränke und Kommoden zu durchsuchen. In der obersten Schublade lag das übliche Sammelsurium: Reserveschlüssel für den Truck, den Wagen und die Boote, ein paar Dollarnoten, verschiedene alte Fotos, unter anderem ein verschossenes Hochzeitsfoto ihrer Eltern, ein Paar Ohrringe, die sie nicht ins Schmuckkästchen zurückgelegt hatte, eine Sonnenbrille, Andenken an Orte, die sie besucht hatten, außerdem ein Untersetzer aus einer Kneipe, die Bree nichts sagte. Das Gator Watering Hole lag ein Stück nördlich von Turtle Bay an einer Seitenstraße des Tamiami Trails am Rande der Glades.
    Auf der einen Seite des Bierdeckels war ein tanzender Alligator mit Sonnenbrille zu sehen, in einer Pranke eine Zigarette, in der anderen eine Bierflasche. Laut Werbespruch bot das Lokal „gutes einheimisches Bier, gebratener Barsch und Krokodilsschwanz – und das alles mit dem entspannten Feeling des guten alten Florida“.
    Bree dachte an Darias letzte Notiz. Sie wollte mit Freunden lernen, und es würde spät werden. Aber hätte sie in einem solchen Lokal lernen können?
    Wiederholt hatte Daria davon gesprochen, dass ihr die Weinlokale in Naples viel lieber waren als die düsteren Spelunken, von denen Manny oft erzählte. Das Gator Watering Hole machte aber nicht den Eindruck eines Weinlokals, sondern war wohl eher eine Kneipe für Angler und Jäger. Bree sah im Telefonbuch nach, konnte das Lokal jedoch nicht finden. Wie eigenartig. Daria war tot, und jetzt schien es so, als würde dieser Laden auch nicht länger existieren. Was hatte ihr die Kneipe bedeutet, dass sie den Bierdeckel aufbewahrte?
    Auf der Rückseite waren die verschiedenen Biersorten aufgelistet, die im Ausschank waren. Alle Sorten wurden in Florida gebraut. Am Rand stand ganz klein „Hab dich lieb“ geschrieben, genau gegenüber konnte sie „Auch so, Babe!“ entziffern.
    Tränen ließen sie sekundenlang alles nur verschwommen erkennen. Der Satz „Hab dich lieb“ war in Darias Handschrift, sie musste die Worte in einem glücklichen, aber schnell wieder vergessenen Moment ihres allzu kurzen Lebens hingeschrieben haben. Über die letzten Jahre war Daria immer wieder mit anderen Männern zusammen gewesen, aber es war nie etwas Ernstes, und zuletzt hatte es keinen Mann gegeben, der sie interessierte. Und ganz bestimmt keinen, dem sie „Hab dich lieb“ auf einen Bierdeckel geschrieben hätte. Nicht mal zum Spaß.
    Sie legte den Deckel zurück in die Schublade und sah sich weiter um. Auch in dem chaotischen Schmuckkästchen war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Sie warf einen Blick in Darias Handtasche und fand einen Zettel mit dem Namen und der Telefonnummer ihres Zahnarztes, dazu ein Termin für den Morgen nach dem Unwetter. Da überall über den Unfall berichtet wurde, war in der Praxis wohl klar gewesen, warum Daria ihren Termin nicht wahrgenommen hatte.
    In der Handtasche stieß sie auch auf einen schmalen Kalender, den sie bei Daria noch nie gesehen hatte. Sie blätterte ihn durch, doch er war leer, abgesehen von ein paar Seiten, auf denen ihre Schwester große Sterne hingemalt hatte. Ah, genau, das waren die Tage, an denen die Fortbildung stattfand. Aber warum war der Zahnarzttermin hier nicht notiert? Dann fiel ihr auf, dass auf einigen dieser Seiten Uhrzeiten notiert waren. Uhrzeiten, die alle nach dem jeweiligen Kurs an dem Tag lagen.
    „Ach so“ , sagte sie zu sich selbst. „Das ist bestimmt die Zeit, zu der sie sich mit den anderen zum Lernen getroffen hat.“ Gab es vielleicht jemanden aus dem Kurs, den sie gemocht und mit dem sie gelernt hatte? Und dem dieses „Hab dich lieb“ galt? Aber warum sollte Daria ihr das verheimlicht haben?
    Sie setzte sich an den Computer und stutzte, da unter dem

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