Das Geheimnis von Turtle Bay

Bree konnte mit dieser Frau mitfühlen, da es ihr selbst nicht anders erging.
    Josh umarmte Bree, Nikki – die von einer Wolke aus teurem Parfum umgeben war – umarmte erst Amelia, dann Bree kurz und flüchtig, anschließend setzte sie sich zu ihrem Mann auf die Ledercouch.
    Eine Bewegung am Fenster hinter der Couch ließ Bree aufmerksam werden. In der einsetzenden Dunkelheit stand neben einer dunklen Limousine Mark Denton, das Mädchen für alles bei den Austins. War er neben seinen anderen Funktionen etwa auch noch der Chauffeur der beiden?
    „Wie ich bereits zu Ben sagte“ , begann Josh, „ist er nicht der Einzige, der seinen Einfluss geltend macht, um vom Rechtsmediziner so schnell wie möglich eine Antwort zu bekommen.“
    „Dafür sind wir dir sehr dankbar.“
    Josh nickte. „Die Blutwerte und Ergebnisse der toxikologischen Tests stehen zwar noch aus, aber ein paar Dinge scheinen geklärt.“
    „Sie hat nicht getrunken und auch keine Drogen genommen“ , warf Bree ein.
    Zu ihrer Überraschung meldete sich Nikki zu Wort, die abermals die Beine übereinanderschlug. „Natürlich sorgt sich Josh um all seine Wähler, aber da Briana und Daria alte Jugendfreundinnen von ihm sind, war es ihm besonders wichtig.“
    Daria war mehr gewesen als nur eine Jugendfreundin, und das wusste Nikki auch. Schließlich hatte Bree von Marla Sherborne gehört, dass Nikki selbst ihr das anvertraut hatte.
    „Ich muss zugeben“ , sagte Josh, „dass ich mich wegen Brianas und Darias Arbeit für die Kommission wesentlich mehr für die Probleme mit der Wasserqualität im Golf interessiere, als es unter anderen Umständen wohl der Fall gewesen wäre. Ich weiß, Bree, du wirst in Kürze einen wichtigen Bericht vorlegen, und es wäre das Beste, wenn bis dahin alle Fragen geklärt sind und Daria bestattet worden ist. Und das gilt auch für dich, Ben. Angesichts der bevorstehenden Wahlen brauchst du auch Antworten, um den Fall abzuschließen.“
    „Die brauchen wir alle“ , gab Bree zurück. „Sag uns einfach, was du vom Rechtsmediziner erfahren hast.“
    Josh atmete heftig aus, sodass sich seine Nasenflügel aufblähten. „Ein Unfalltod. Die Autopsie ergab, dass sie sich den Kopf angeschlagen hat. Nach der Form der Verletzung zu urteilen, fiel sie vermutlich wegen der rauen See mit großer Wucht gegen das Steuerrad und verlor das Bewusstsein. Laut Bericht kam es durch den Aufprall zu einer Blutung im Kopf. Die eigentliche Todesursache ist allerdings Tod durch Ertrinken. Sie wird mit dem Boot den Wellenbrecher gerammt haben und ist dann im kabbeligen Kanal des Big Marco Pass gesunken. Das Wrack soll nicht gehoben werden und stattdessen an die Tragödie erinnern. Offiziell ist die Mermaids II für Taucher tabu, weil der Marco Pass ein zu gefährliches Gebiet ist.“
    „Von allen schrecklichen Szenarien, die man sich ausmalen konnte, ist das immerhin noch das erträglichste“ , merkte Nikki an.
    Nichts davon war irgendwie erträglich, wollte Bree sie anbrüllen, aber zumindest konnte sie nun zur Ruhe kommen, nachdem es eindeutig ein Unfall war, der Daria das Leben gekostet hatte.

11. KAPITEL
    Es war fast zehn Uhr an diesem Abend, als Bree erstmals Darias Zimmer betrat. Als sie Cole anrief, um ihm das Ergebnis der Autopsie mitzuteilen, sagte er, sie solle bis zu der für Montag angesetzten Beerdigung nichts unternehmen. Außerdem bot er ihr an, die für den nächsten Tag geplante Fahrt nach Miami zu verschieben, damit er bei ihr sein konnte.
    Sie bestand aber darauf, dass er nicht ihretwegen seine Pläne änderte. Zwar wusste sie, sie musste ihn wieder ihr eigenes Leben leben lassen, doch sie wollte Teil dieses Lebens sein. Wenn es an der Tragödie um Daria etwas Gutes gab, dann war es die Begegnung mit Cole. Und vielleicht würde sich ohne ihre Zwillingsschwester an ihrer Seite die Beziehung zu Amelia bessern.
    „Wir sehen uns, wenn du zurückkommst. Ich werde hier sein, und es geht mir gut, glaub mir“ , beteuerte sie, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach.
    Während Bree die Habseligkeiten ihrer Schwester durchsah, fühlte sie deren Präsenz so deutlich, als würde sie neben ihr stehen. Sie wollte fast glauben, dass Daria jeden Augenblick wieder in ihrem Bett liegen würde, dessen Decke noch so umgeschlagen lag, als wäre sie eben erst aufgestanden. Und beim Blick in den Arzneischrank kam es ihr so vor, dass ihre Schwester gleich die Dusche verlassen würde.
    Unwillkürlich hielt sie den Atem an, als sie ihr