Das Geheimnis von Turtle Bay
wascht eure Hände und dann kommt runter zum Essen. Und seht nach Daddy, ob er aufgehört hat zu telefonieren.“
„Aber wir sind noch nicht fertig. Anakin muss sich noch in Darth Vader verwandeln, und dann wird er richtig böse“ , protestierte Jordan. „Anakin war einer von den Guten, aber jetzt wechselt er zur Dunklen Seite der Macht.“
Amelia drehte sich zu beiden um. Bree entging von ihrem Hocker an der Frühstückstheke nicht, wie betroffen ihre Schwester wirkte.
„Ich will solche Sachen nicht hören“ , machte sie mit strenger Miene klar. „Warum könnt ihr nicht etwas spielen, wo nur gute Menschen vorkommen?“
Als wollte er seinen jüngeren Bruder verteidigen, erwiderte James: „Obi-Wan und Yoda sind gut. Und Chewbacca auch. Tschuldigung, Mom. Ich weiß, du hast viel geweint.“
„Ja, genau“ , warf Bree ein und legte jedem der Jungs eine Hand auf den Kopf. „Eure Mutter ist müde und traurig, also tut doch bitte, was sie euch sagt. Und wenn sie sich mit dem Essen so viel Arbeit macht, dann könnt ihr ihr sehr helfen, indem ihr eine richtig große Portion esst.“
„Und wascht euch die Hände so lange, bis ihr das Geburtstagslied bis zu Ende gesungen habt“ , rief Amelia ihnen nach.
„Das Geburtstagslied? Was hat das zu bedeuten?“ , fragte Bree. Es tat ihr gut, zur Abwechslung mal über ganz normale, alltägliche Dinge zu reden, auch wenn der Verlust ihrer Zwillingsschwester so erdrückend auf ihr lastete, dass sie tatsächlich Schmerzen fühlte. Zweifellos war das auch der Grund, weshalb Amelia so gereizt reagierte.
„Die zwei meinen, es reicht, wenn sie ihre Hände husch, husch waschen. Aber wenn sie dabei ‚Happy Birthday To You’ bis zur letzten Zeile singen, ist der gröbste Dreck dann schon ab. Bree, das mit diesen Leuten von Muscheln für die Ewigkeit ist ja wirklich eigenartig. Richtig bizarr, würde ich sagen. Hat Daria jemals davon gesprochen, sich anstelle einer Beerdigung lieber einäschern und dann auf See bestatten zu lassen?“
„Nur ganz generell, dass es für manche Leute aus ökologischer Sicht sinnvoller ist. Aber ich glaube, sie hatte nichts dagegen, die Gräber von Mom und Dad zu besuchen. Wir fanden es dort beide immer schön und friedlich. Ab und zu gingen wir hin, legten Blumen nieder und versuchten, uns auf die schönen Erinnerungen zu konzentrieren.“
Amelia presste die Lippen zusammen, dann rührte sie wieder die Soße und drehte sich zur Spüle um. Bree konnte ihr Gesicht nur als Spiegelbild im Fenster über dem Becken sehen. „Es ist gut, dass ihr beide hingegangen seid“ , sagte Amelia leise. „Ich … ich kann diesen Ort genauso wenig aufsuchen, wie ich mich unter Wasser hätte begeben können, als ihr mit Dad tauchen wart.“
Die Türglocke ertönte und spielte eine wohlklingende Melodie. Dabei wurde Bree bewusst, dass in diesem Haus alles schön war und in Ehren gehalten wurde. „Erwartest du Besuch?“
„Nein, und wenn diese Betonmuschelverkäufer sich jetzt an uns heranmachen wollen, dann bekommen sie ein Sieb mit heißen Nudeln über den Kopf gekippt. Ben wird nachsehen. Er hat gesagt, er kümmert sich um die Telefonate und um mögliche Besucher. Die Nachbarn waren alle sehr nett und haben uns auch Essen gebracht, aber heute Abend wollte ich selbst für uns kochen. Dich eingeschlossen.“
Bree hörte Stimmen, eine männliche, eine weibliche. Nein, die Hollimans würden es nicht wagen, hier auch noch aufzukreuzen. Plötzlich stand Ben in der Küchentür und blickte ernst drein.
„Was ist? Wer war das?“ , fragte Amelia.
„Josh und Nikki Austin“ , antwortete er und sah zu Bree. „Josh sagt, er hat den Rechtsmediziner zur Eile angetrieben und möchte uns etwas berichten.“
Mit weichen Knien folgte Bree ihm ins Wohnzimmer, Amelia war dicht hinter ihr. An der breiten Treppe rief sie nach oben: „Ihr zwei könnt noch eine Weile spielen. Ich rufe euch, wenn wir essen!“
Als Bree Josh gegenüberstand, konnte sie seine Miene nicht deuten. So viele Jahre kannte sie ihn nun schon, aber es war ihr nicht möglich, ihm anzusehen, was in ihm vorging.
Nikki schien kaum geschlafen zu haben, und nach den verschmierten Lidschatten unter ihren Augen zu urteilen hatte sie geweint. Es rührte Bree, dass ihr der Tod einer Fremden so sehr zu Herzen ging, allerdings konnte auch etwas ganz anderes sie aus der Fassung gebracht haben. Nikki hatte das Kinn vorgeschoben, als versuche sie, sich nicht von ihren Gefühlen überwältigen zu lassen, und
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