Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
mit einer Mappe in den Wagen einstieg. Darin lagen die Briefe und Tagebücher, die Dr. Goldworthy ihr vom Kongo mitgebracht hatte, aber davon wußte er nichts.
In der Einsamkeit von Moor Cottage fand Lady Constance die ruhige Umgebung, in der sie die Worte verstand, die sich wie mit Feuerschrift in ihre Seele einbrannten.
In dem Landhaus wohnten keine Dienstboten. Wenn sie dort gewesen war, sandte sie gewöhnlich einen ihrer Leute hin, um alles wieder für einen neuen Besuch in Ordnung zu bringen.
Sie schloß eine kleine Tür auf, die unter einem mit Grün bewachsenen Bogen hindurchführte.
»Sie können das Pferd ausspannen - ich bleibe mindestens zwei Stunden hier«, sagte sie zu dem wartenden Kutscher.
Der Mann berührte grüßend seinen Hut. Er war an die Ausflüge hierher gewöhnt und besaß die ruhige Ausdauer der Leute seines Berufes. Er lenkte den Wagen zur Rückseite des Anwesens, das vollständig von einem Zaun umgeben war. Dort lag ein kleiner Stall, der aber niemals benützt wurde. Er spannte das Pferd aus, schnallte ihm den Hafersack um und setzte sich nieder, um seine Lieblingszeitung zu lesen, ein kleines Blatt, das von den Vergehen und Ausschweifungen der oberen Zehntausend berichtete. Er war kein gerade schneller Leser, und die Lektüre bot genügend Stoff, um ihn drei bis vier Stunden zu beschäftigen.
Nach einer Stunde glaubte er, die Stimme seiner Herrin zu hören, die ihn rief. Er sprang auf, eilte zu der Tür des Hauses und horchte.
Als er aber nichts hören konnte, ging er wieder zu seinem Ruhesitz zurück und las weiter. Schließlich hatte er vier Stunden gewartet und war sehr hungrig geworden. Seine Geduld war erschöpft, was man ja auch verstehen und entschuldigen konnte.
Langsam erhob er sich, schirrte das Pferd wieder an und fuhr mit dem Wagen ostentativ vor das Fenster des kleinen Wohnzimmers, das Lady Constance Dex als Arbeitszimmer benützte. Nachdem eine weitere halbe Stunde vergangen war, ohne daß sich jemand meldete, stieg er von seinem Bock hinunter und klopfte an die Tür.
Es antwortete niemand.
Er klopfte noch einmal heftiger, aber wieder ohne Erfolg. Besorgt trat er an das Fenster und schaute hinein. Der ganze Boden war mit verstreuten Papieren bedeckt, ein Stuhl war umgeworfen, ein Tintenfaß umgestoßen. Aus alledem entnahm sein an Ordnung gewöhnter Sinn, daß hier etwas Ungewöhnliches geschehen sein mußte.
In diesem Augenblick kam ein Auto schnell über den Hügel aus der Richtung des Pfarrhauses gefahren. Mit einem Ruck hielt es vor dem Hause an, und Mr. Smith sprang heraus.
Brown hatte ihn schon im Pfarrhaus gesehen und begrüßte ihn nun wie einen vom Himmel gesandten Rettungsengel. »Wo ist Lady Constance?« fragte Mr. Smith schnell. Der Mann zeigte mit zitterndem Finger auf das Haus. »Sie muß irgendwo da drinnen sein«, sagte er furchtsam. »Aber sie antwortet mir nicht und … und das Zimmer scheint ganz in Unordnung zu sein.« Er führte den Detektiv zum Fenster. Mr. Smith schaute hinein -seine schlimmsten Befürchtungen waren bestätigt.
»Treten Sie zurück!«
Er hob seinen Ebenholzstock und schlug das Fpnster ein; gleich darauf zog er den Fensterriegel von innen zurück, und ein paar Sekunden später hatte er sich in den Raum geschwungen. Er eilte von Zimmer zu Zimmer, aber es war nichts von Lady Constance zu entdecken. Auf dem Fußboden des Arbeitszimmers lag ein Stück eines Spitzenkragens, das offensichtlich von ihrem Kleid abgerissen war.
»Hallo«, sagte Ela, der Mr. Smith gefolgt war, und zeigte auf den Tisch. Auf einem Blatt Papier war der Abdruck einer blutigen Hand zu sehen.
»Farrington war hier«, erwiderte Mr. Smith kurz. »Aber wie ist er wieder hinausgekommen?«
Er verhörte den Kutscher eingehend, aber Brown blieb fest.
»Nein, mein Herr, es ist ganz unmöglich, daß jemand das Haus verließ, ohne daß ich ihn gesehen hätte. Ich konnte nicht nur das Haus von meinem Sitz aus überblicken, sondern auch die ganze Umgebung bis zur Spitze des Hügels.«
»Gibt es nicht noch irgendeinen anderen Platz, wo sie sich aufhalten könnte?«
»Es ist nur noch das Hintergebäude da«, entgegnete Brown, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte. »Früher haben wir dort immer den Wagen untergestellt, aber heutzutage tun wir das nicht mehr, besonders nicht bei gutem Wetter.«
Das Hintergebäude bestand aus einer großen Wagenremise und einem kleinen Stall. Es war kein Schloß an den Türen, und Mr. Smith konnte sie ohne weiteres öffnen.
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