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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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zurückgebracht werden. Endlich hatte man die Durchquerung dieses Tales geschafft, und Sander erblickte in der Ferne Innsbruck! Diese Stadt würde ihm fortan nur mehr als Name für ›Paradies auf Erden‹ im Gedächtnis bleiben, so erleichtert war er und so nahe am Ende seiner Kraft und Geduld.
    Vom Vorstadttor erreichte der Tross von Randegg die innere Stadt. Sander fielen sofort die neu erbauten Häuser auf, hohe, schmale Gebäude mit niedrigem Giebel, die eng aneinandergebaut sich weit nach hinten erstreckten. Die älteren unter ihnen waren aus Holz, aber ganz neue aus Stein. Mauerstützen, die nicht selten bis zum zweiten Stockwerk ragten, sollten die Bauten vor den häufigen Erdbeben schützen. Sander, der nach langer Zeit wieder Straßen, fremde Menschen und das Getümmel und die Gerüche einer Stadt gierig aufnahm, wartete gespannt, was sein Oheim vorhatte. Beruhigt nahm er zur Kenntnis, dass sich der alte Mann wieder etwas beruhigt hatte, und von der Ungeduld und Fahrigkeit, die er in der Burg Neuhaus an den Tag gelegt hatte, nichts geblieben war. Sein Oheim hatte sich wieder in den geduldigen und zufriedenen Mann verwandelt, dem Sander bedingungslos vertraute. Bernhard von Randegg bezog Quartier bei einem ihm nahestehenden Kaufmann, der den gesamten Speck- und Schinkenhandel mit Augsburg abwickelte und ein vornehmes Haus in der Herrengasse, gleich hinter dem Dom, unterhielt. Das Gebäude war zwar viel düsterer und dunkler, als es Sander von den Palazzi in der Toskana gewöhnt war, doch herrlich bequem, heimelig und ein wahres Gottesgeschenk nach den Entbehrungen der Reise. Im Erdgeschoss waren die Lager, Ställe und Magazine untergebracht und in den beiden Obergeschossen die Wohnungen. Ganze drei gab es davon, alle mit einer hellen Stube und zwei Schlafkammern mit kleinen Fenstern, um das raue Wetter und die tiefen Temperaturen dieser Bergstadt draußen zu halten. Die alles beherrschende Küche befand sich im Inneren des Hauses und erhielt nur Licht aus einem Schacht, der nach oben führte.
    Sander liebte den Geruch des Geräucherten, das man hier ›Geselchtes‹ nannte. Er schnupperte den würzigen Duft, der sich von den Lagern nach oben zog und gewöhnte sich sogar an die deftige Kost, die ihnen vorgesetzt wurde. Ewald meinte fast, dass Sander das Jammern verlernt hatte, und freute sich, dass sich sein Freund hier in dieser von hohen Bergen umgebenen Stadt so wohl fühlte. Er konnte nicht wissen, dass Sander die Reise bis an seine Grenzen erschöpft hatte, und ihm alles, was ihn einigermaßen an seine verlorene heimatliche Bequemlichkeit erinnerte, als Geschenk des Himmels vorkam. Doch Sanders Sanftmut und Zufriedenheit hielt nicht lang vor, denn nur sehr kurz wurde gerastet. Bernhard von Randegg drängte bestimmt und unnachgiebig weiter. Auf die Klagen seines Neffen antwortete er nur: »Unsere Augsburger Verwandten warten sicherlich schon auf uns. Ich möchte sie nicht enttäuschen!«
    Schwer seufzend kehrte Sander eines sonnigen aber klirrend kalten Tages Innsbruck den Rücken, schwang sich stöhnend auf sein Pferd und reiste weiter im Tross, übellauniger denn je. Und da war er jetzt, beendete seine Gedanken an die hinter ihm liegende Reise und wandte sich der Zukunft zu. Die nächste Station war endlich Augsburg, von da sollte es nach dem Winter über Regensburg weiter nach Passau gehen. Missmutig saß Randeggs Mündel im Sattel, fluchte über die dicke Reisekleidung, schimpfte über das schlechte Wetter, raunzte über das schnelle Tempo und nervte seinen jungen Freund und seinen Onkel.
    »Ach Sander, du freust dich sicher genauso darauf, unsere Familie in Augsburg begrüßen zu dürfen«, meinte der Patriarch aufmunternd. »Bald wirst du die ersten Türme der Stadt sehen, wirst dich über deine große Familie freuen und guter Dinge sein!«
    »Du hast ganz recht, Oheim!« Sander richtete sich im Sattel auf und atmete tief durch. »Ja, einfach brennend warte ich darauf, unsere Verwandten zu sehen, und viele Tagesmärsche weiter zu reiten«, setzte er pflichtschuldigst nach.
    Ewald fiel vor Lachen beinahe aus dem Sattel, als er Sanders Leichenbittermiene sah. Und ein kleines Lächeln kräuselte auch die Lippen Bernhard von Randeggs.

    Mein liebes Kind!
    Viele Tage und Wochen sind vergangen, viele Stunden der Verzweiflung, der Ungeduld und des Haderns mit meinem Schicksal. So gerne möchte ich Dich zu mir rufen, wann immer Du in die Kirche kommst, und doch weiß ich so gut, dass ich Dir damit keinen

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