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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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Sander erklärte, was dieser Krach zu bedeuten hatte. Jene Burgherren nämlich glaubten, dass diese barbarische und schreckliche Sitte zum Schutz ihres Eigentums beitragen würde und Menschen eher vom Unrecht ablassen würden, wenn sie schon erblickt und angeschrien wurden. Für Sander eine reichlich seltsame Sitte, sein Hab und Gut zu verteidigen, und einmal mehr erkannte er, dass er sich dem barbarischen Norden mit Riesenschritten näherte. Doch diese Begebenheit war nicht die Einzige, die den Jüngling zum Grübeln brachte. Auf dem weiteren Weg wunderte sich Sander immer mehr über Bernhard von Randegg. Sein Oheim, der sonst die Ruhe in Person war, wurde zunehmend fahriger und ungeduldiger. Er schrie die Träger ohne besonderen Grund an, trieb sein Pferd über dessen Kraft und wurde bei jeder noch so kleinen Verzögerung wütend. Sander konnte sich nicht erklären, was seinen Oheim so belastete, denn es war offensichtlich, dass der Patriarch mit einem inneren Zwist zu kämpfen hatte. Sander befürchtete, dass es mit dem Gefolge Wolkenbergs zu tun hatte, und sah mit Bangen dieser neuerlichen Herausforderung entgegen.
    Endlich kamen die Stadttore von Bozen in Sicht. Diese Stadt zwischen Talfer und Eisack fiel Sander sofort durch die Kirchtürme auf, die sich mutig in den Himmel reckten. Der schlanke Turm der Pfarrkirche, die Dominikanerkirche und natürlich die Kirche des Ordens des Heiligen Franziskus. Sander atmete befreit durch, sein Schutzpatron würde ihn nicht aus den Augen lassen. Der kleine Giovanni Battista, wie der Heilige mit seinem weltlichen Namen gerufen wurde, wanderte ebenfalls diesen Weg entlang, Sander begab sich auf dessen Spur und war sich dessen Beistand gewiss. Er kannte die Geschichte des Heiligen nur zu gut, war mit den Legenden rund um Franz von Assisi gleichsam groß geworden. Es war so spannend, in diese Stadt hineinzureiten, wo der große Heilige 150 Jahre zuvor mit seinem Vater Pietro Bernardone, einem Tuchhändler, auf einer Geschäftsreise vorbeigekommen ist. Ehrfurchtsvoll stand Sander in der Kapelle des Klosters, wo der Tross Quartier bezogen hatte, denn er wusste nur zu gut: Der kleine Franziskus hatte genau hier bei der Messe ministriert und die Glocke geläutet. Wäre Sander nicht schon ganz angetan von Franz von Assisi gewesen, spätestens hier in Bozen im Kloster hätte ihn die Begeisterung gepackt. Getröstet und gestärkt fühlte er sich in dieser Stadt, und wenn es nach ihm ginge, so wollte er die Alpen nicht mehr überqueren. Dieser Ausflug allein genügte ihm, um in Lucca davon erzählen zu können.
    Doch die Ruhelosigkeit des Oheims nahm zu, die Schönheit dieser alten Handelsstadt mochte nur sein Mündel, aber nicht ihn zu bezaubern, und so hetzte er seinen Tross weiter die Etsch entlang Richtung Terlan. In der nahegelegenen Burg Neuhaus sollte dann eine wohlverdiente mehrtägige Rast eingelegt werden, wo man in Muße den zweiten Teil der Reisegesellschaft erwarten wollte. Friedrich von Wolkenberg wollte seinen zweitjüngsten Sohn mit Gefolge Bernhard von Randegg als Knappe übergeben. Sander, dem die Ankunft eines jüngeren Reisegefährten bereits von seinem Oheim angekündigt worden war, war gleichermaßen freudig gespannt wie ängstlich abwartend. Einerseits würde ihm Ewald helfen, die langen Stunden im Sattel zu verkürzen, andrerseits wollte Sander sich nicht mit einem jüngeren Knappen belastet fühlen. Er wollte nicht zusätzlich ein ängstliches Kind am Hals haben, war er selbst doch schon genug eingeschüchtert von der Reise. Ewald war, das erfuhr er von seinem Oheim, 13 Lenze alt, also um ganze drei Jahre jünger als er selbst. Nun, das war für einen Jüngling bekanntlich eine halbe Ewigkeit. 36 Monate weniger – also war Sander gewiss, dass er eindeutig einen ängstlichen Knaben und keinen jungen Mann vor sich habe würde. Was war, wenn dieser junge Wolkenberg ein unangenehmer Genosse war, wenn er Sander als großen Bruder ansah und ihm am Rockzipfel klebte? Also da lehnte sich alles in ihm auf, er hatte keinen Bedarf, Aufpasser oder gar Kindsdirne zu spielen!
    So kam er mit sehr gemischten Gefühlen nach Terlan und war augenblicklich angetan von der Burg, die sich ihm hoch über der Ortschaft zeigte. Vom Tal aus erblickte er einen fünfeckigen Bergfried, welcher an der höchsten Stelle des Burgfelsens stand. Es schien Sander, als wäre der Bergfried bis zum obersten Stockwerk bewohnbar, und er blinzelte leicht, als er am zinnenlos abgeschlossenen Turm

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