Das Geld - 18
und quetschten sich die Spekulanten; und es gab welche, die es sich zwischen den Säulen auf dem Eisengeländer so bequem machten und ihren Bauch oder ihren Rücken rausstreckten, als säßen sie daheim in ihrem Kontor auf einem Samtsessel. Dieses Beben und Grollen einer unter Dampf stehenden Maschine nahm immer mehr zu und versetzte die ganze Börse in flackernde Unruhe. Plötzlich erkannte Saccard den Remisier Massias, der mit großen Sprüngen die Stufen hinunterrannte und in seinem Wagen verschwand. Der Kutscher trieb das Pferd zum Galopp an.
Da merkte Saccard, wie sich seine Fäuste ballten. Er riß sich mit Gewalt los, bog in die Rue Vivienne ein und überquerte den Fahrdamm, um die Ecke der Rue Feydeau zu erreichen, wo sich Buschs Haus befand. Ihm war der russische Brief eingefallen, den er sich übersetzen lassen wollte. Aber als er das Haus betrat, grüßte ihn ein junger Mann, der sich vor dem Papierwarengeschäft im Erdgeschoß aufgepflanzt hatte. Es war Gustave Sédille, der Sohn eines Seidenfabrikanten aus der Rue des Jeûneurs; sein Vater hatte ihn bei Mazaud untergebracht, damit er dort den Mechanismus der Finanzoperationen kennenlernte. Saccard lächelte diesem eleganten großen Burschen väterlich zu, denn er ahnte sehr wohl, weshalb Sédille hier auf Posten stand. Die Papierwarenhandlung Conin belieferte die ganze Börse mit Handbüchern, seitdem die kleine Frau Conin ihrem Mann, dem dicken Conin, im Geschäft half. Er selbst kam nie aus seiner Hinterstube heraus und befaßte sich mit der Herstellung, während sie ständig hin und her ging, am Ladentisch bediente und draußen die Besorgungen erledigte. Sie war üppig, blond und rosig, ein richtiges kleines gelocktes Schäfchen mit mattseidenem Haar, sehr reizend und anschmiegsam und immer fröhlich. Ihren Gatten liebte sie sehr, hieß es, was sie jedoch nicht hinderte, zärtlich zu werden, wenn ihr ein Börsenbesucher aus der Kundschaft gefiel – nicht etwa für Geld, sondern allein um des Vergnügens willen und nur ein einziges Mal, im Haus einer Freundin aus der Nachbarschaft, wie man sich erzählte. Auf jeden Fall mußten sich die von ihr Beglückten verschwiegen und dankbar erweisen, denn sie wurde weiterhin angebetet und gefeiert, ohne daß ein häßliches Gerede über sie umging. Und die Papierwarenhandlung blühte weiter, war ein Winkel echten Glücks. Im Vorbeigehen bemerkte Saccard, wie Frau Conin durch die Scheiben hindurch Gustave zulächelte. Was für ein hübsches kleines Schäfchen! Sie wirkte auf ihn wie eine zärtliche Liebkosung. Endlich stieg er hinauf.
Seit zwanzig Jahren hatte Busch ganz oben im fünften Stock eine kleine Wohnung, die aus zwei Zimmern und einer Küche bestand. Als Kind deutscher Eltern in Nancy geboren, war er aus seiner Geburtsstadt hierher verschlagen worden und hatte seinen ungemein verwickelten Geschäftsbereich nach und nach ausgedehnt, ohne das Bedürfnis nach einem größeren Arbeitszimmer zu empfinden; seinem Bruder Sigismond hatte er das Zimmer zur Straße überlassen, während er sich mit dem kleinen Raum auf den Hof hinaus begnügte, in dem sich der Papierkram, die Akten und alle möglichen Pakete derart häuften, daß nur noch für einen einzigen Stuhl am Schreibtisch Platz war. Eines seiner großen Geschäfte war wohl der Handel mit den entwerteten Papieren, die bei ihm zusammenliefen; er diente als Vermittler zwischen der Winkelbörse der »Naßfüßler« und den Bankrotteuren, die Löcher in ihrer Bilanz zu stopfen haben; daher verfolgte er die Kurse, kaufte manchmal direkt und bezog die Mittel dafür aus den Einlagen, die man ihm brachte. Aber außer dem Wucher und einem geheimen Handel mit Schmuck und Edelsteinen befaßte er sich besonders mit dem Ankauf von Schuldforderungen. Und das brachte die Wände in seinem Arbeitszimmer fast zum Einstürzen, das trieb ihn in Paris in alle vier Himmelsrichtungen, ließ ihn wittern und lauern, gewährte ihm Einblick in alle Schichten der Gesellschaft. Sobald er von einem Bankrott erfuhr, lief er herbei, strich um den Konkursverwalter herum und kaufte schließlich alles, woraus man nicht unmittelbar Nutzen ziehen konnte. Er schnüffelte in den Büros der Notare, wartete auf die Eröffnung strittiger Hinterlassenschaften und wohnte den Versteigerungen der hoffnungslosen Schuldforderungen bei. Er veröffentlichte selbst Anzeigen, lockte die ungeduldigen Gläubiger an, die lieber sofort ein paar Sous einstecken als Gefahr laufen wollten, ihre Schuldner
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