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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dieses Romans bei mir schon sehr alt ist. Ich setze sie ungefähr um 1877 an, nach der Publikation von ›Seine Exzellenz Eugène Rougon‹.« Tatsächlich befindet sich in dem Vorbereitungsdossier ein Presseausschnitt über die Börse aus dem Jahre 1879, aber es ist nicht auszumachen, wann er in Zolas Hände gelangte.
    Als Romanentwurf taucht der Sachkomplex »Börse – Zeitungen« erst später auf, in einer Liste der »Rougon-Macquart« aus den Jahren 1883/84, als Zola bei der Niederschrift seines Romans »Paradies der Damen« war. Verschiedene Überlegungen sprechen auch dafür, daß Zola erst so spät diesen Sachkomplex ins Auge faßte. Es ist die Zeit, in der in seiner Natur- und Sozialgeschichte einer Familie die Abrechnung mit dem Kaiserreich immer mehr von der Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Zuständen unter der Dritten Republik überlagert wurde und die Aufarbeitung der Vergangenheit sich zugunsten der Darstellung der Gegenwart – wenn auch unter Transponierung in die Vergangenheit – verschob. Nicht zufällig findet sich gerade in den Vorarbeiten zum Kaufhausroman der erste Hinweis auf den Sozialismus – an den der Autor jetzt »bei jedem neuen Werk, das er in Angriff nimmt, stößt« – als auf eine neue Erscheinung, die in der bisherigen, mehr vergangenheitsgeschichtlich orientierten Darstellung noch keine solche Rolle gespielt hatte.
    Mit diesem immer nachhaltigeren Hinwenden zur unmittelbaren Gegenwart treten auch neue gesellschaftliche Fragen, neue Sachkomplexe ins Blickfeld oder profilieren sich bereits vorgesehene entsprechend der aktuellen Entwicklung. Der Kaufhausroman selbst bekommt mit der wachsenden Bedeutung der Kaufhäuser in den achtziger Jahren und den sich darin widerspiegelnden ökonomischen Veränderungen eine ganz andere Relevanz – selbst wenn die ersten großen Kaufhausgründungen schon in die fünfziger und sechziger Jahre zurückgehen. Der Kampf der Arbeiterklasse, ihre Streikbewegungen und Assoziationsformen nehmen ganz neue Dimensionen an und geben dem »Germinal« zugleich erhöhte Aktualität. Die Fragen der Bauern, der landwirtschaftlichen Produktionsweise und aller damit zusammenhängenden ökonomischen Gegebenheiten erhalten mit dem Übergang Frankreichs in das Stadium des Imperialismus ebenfalls ein anderes Gewicht und ziehen Zolas Aufmerksamkeit auf sich – der Roman »Die Erde« war ursprünglich auch nicht vorgesehen.
    Und ebenso dürfte es wohl mit dem »Geld« gewesen sein, das gleichsam die Probleme des sichtbaren »Blutkreislaufs« des kapitalistischen Systems und seiner »Pumpstation«, der Börse, behandelt. Frankreichs spezifische Form des Übergangs zum Imperialismus, die Lenin als »Wucherimperialismus« gekennzeichnet hat, der vor allem auf Kapitalexport beruht und mit einem relativen Stagnieren der industriellen Entwicklung im Inland und einer Konservierung der landwirtschaftlichen Parzellenwirtschaft einhergeht, führte über den massenhaften Erwerb von Rentenpapieren zur Bindung unzähliger Kleinsparer an die Interessen des Großkapitals und damit zu einer Erhöhung der Bedeutung des Börsenspiels. »Das Geld, dieses Sujet mußte unausweichlich als Hauptfaktor und mächtiger Hebel der Ereignisse und der Handlungen meiner Personen in meinem Werk einen Platz finden«, schreibt Zola, »denn die Familie, die ich mir vorgenommen hatte zu studieren, ist durch ein Überschäumen der Begierden gekennzeichnet …« » …ich bin gezwungen, diese Arbeit zu unternehmen. Das gehört in die Reihe der ›Rougon-Macquart‹.«
    Ein aktuelles Ereignis in der Finanzwelt mag Zola zudem unmittelbar auf diesen Sachkomplex hingewiesen haben, der »Krach« der Union Générale 1882. Noch zu Beginn der Arbeit am »Geld« im Frühling 1890 beklagt sich Zola über die Notwendigkeit, wiederum einen Anachronismus begehen zu müssen, weil er nach anfänglichem Zögern die Vorgänge um die Union Générale nunmehr endgültig als Vorwurf gewählt habe.
    Denn zunächst hatte er eine andere Finanzkatastrophe im Auge gehabt, die Affäre Mirès aus der Zeit des Kaiserreichs. »Ich dachte daran«, erklärte er in einem Interview vom 2. April 1890, »mich durch die letzten Finanzereignisse inspirieren zu lassen: die Union Générale, die Vorgänge in der Metallindustrie, Panama. Nachdem ich mir die Sache aber überlegt habe, verzichte ich darauf. Meine Handlung spielt unter dem Kaiserreich. Die Affäre Mirès scheint mir also angezeigt. Ich will sie deshalb von Stund an

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