Das Geloebnis
Sterilisieren diente.
»Chung, der General hat nach mir geschickt«, verkündete sie. Sie begann ihre Hände in dem Eimer mit heißem Wasser zu schrubben, der auf einer Bank stand. »Oh, Chung, es handelt sich wohl um Sheng, glauben Sie nicht auch? Warum sonst sollte der General mich zu sich rufen? Seit Wochen habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Sheng müßte jetzt eigentlich zurück sein, gewiß«, meinte Chung. Es war sonderbar gewesen, so viele Männer fortziehen und keinen zurückkehren zu sehen, keinen Verwundeten, keinen Lebenden. Dies war wirklich eine merkwürdige Pause gewesen – kein Befehl kam, das Lager aufzuheben; seit fast acht Tagen warteten sie nun hier.
Die Pflegerinnen traten ein, ergriffen die Tragbahre, auf der die Wöchnerin lag, und trugen sie fort. Chung war unentschlossen gewesen, ob er sein Betäubungsmittel an sie verschwenden sollte oder nicht. Dann hatte er es doch benutzt. Schließlich war es ein Junge.
Mayli holte sich eine saubere Uniform, und er drehte ihr sittsam den Rücken. Er fühlte sich nie ganz sicher, ob sie unzüchtig oder nur gedankenlos war, doch hatte er keinen Grund, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Wenige Sekunden später war sie umgekleidet und schon wieder an der Tür, als das Kind plötzlich wimmerte. Es war vergessen worden; in ein Tuch gewickelt lag es in einem Winkel auf Stroh.
Chung eilte zu dem Kind und hob es auf. »Nach all dem Trubel hat man dich vergessen«, bemerkte er.
Mayli war stehengeblieben und lief nun zurück. »Geben Sie den Kleinen mir«, sagte sie. »Ich werde Pansiao bitten, für ihn zu sorgen, bis ich zurück bin.« Sie nahm das unförmige kleine Bündel auf den Arm und eilte abermals zur Tür. Draußen wartete der geduldige Vater, und als sie seiner ansichtig wurde, entsann sie sich seines Anliegens. »Hier«, sagte sie, »schaut selber nach.«
Freilich, es bestand nur geringe Möglichkeit, daß das Kind ein bestimmtes Muttermal geerbt hatte; gleichwohl schob sie das Tuch von dem schwarzen Köpfchen zurück, und da war das kleine linke Ohr, vollkommen bis auf ein winziges schwarzes Fleckchen.
»Es ist da!« rief Mayli voll Freude. »So klein, daß man es kaum sehen kann, aber das Büblein ist ja auch noch ganz klein!«
Der chinesische Händler erhob sich, zog aus seinem Hemd seine Brille hervor, die er sich aufsetzte, und betrachtete das winzige Muttermal.
»Es ist mein Sohn«, sagte er feierlich. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Mein erster«, erklärte er. Er streckte die Arme aus. »Ich will ihn nehmen.«
»Aber ich wollte ihn gerade waschen und anziehen«, widersprach Mayli.
»Ich will ihn nehmen«, wiederholte er fest. »Ich kann ihn waschen und anziehen.«
Sie gab ihm das Kind und sah ihm einen Augenblick nach, wie er mit wehendem Kleide dahinging, das Kind in den Armen, als wäre es ein dem Kaiser geborener Tribut. Er verschwand die Straße hinunter, und sie besann sich ihrer selbst. Wie närrisch das Leben war, dachte sie, da konnte man inmitten von Krieg und Tod und schlimmen Nachrichten alles vergessen außer der Tatsache, daß einem Mann wieder einmal ein Sohn geboren war!
Sie eilte weiter, lächelnd und traurig.
»Von Sheng habe ich kein Wort gehört«, sagte der General.
Mayli krampfte ihre im Schoß liegenden Hände etwas fester zusammen.
Er blickte sie nicht an. »Was zwischen Euch beiden ist, weiß ich nicht«, fuhr er fort, »aber ich sollte Euch wohl mitteilen, daß kein Mann seiner Truppe zurückgekehrt ist. Natürlich überquerten sie den Fluß mit unseren Verbündeten, aber wenigstens müßte Charlie Li inzwischen hier sein, um uns wissen zu lassen, daß sie sich auf dem Weg zu uns befinden. Ich hege die Absicht, meine Truppen längs der Lashio-Straße auszurichten, aber wie kann ich das, wenn sie nicht zurückkehren? Ohne sie wird die Front zu dünn. Trotzdem will ich es tun.«
»Heißt das, daß wir das Lager abbrechen werden?« fragte sie.
»Es heißt, daß wir das Lager unverzüglich abbrechen werden«, antwortete er. »Und ich möchte Euch bitten, daß Ihr zum Amerikaner geht, als mein Privatbote, versteht Ihr, und in seiner eigenen Sprache mit ihm redet, damit ich sicher sein kann, daß er alles versteht. Sagt ihm, daß ich mich in Marsch setze, unbekümmert um die andern. Ich bin dieses dauernden Rückzuges müde. Ich mag mich nicht mehr zurückziehen. Ich will meine Stellung behaupten und die Grenzen meines eigenen Landes schützen und die Weißen tun lassen, was ihnen
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