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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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Gesicht.
    »Gefällt dir das nicht?« bemerkte Mayli, während sie Uniformen in einen Strohkorb packte.
    »Ja, aber …«, begann Pansiao und brach ab.
    »Aber?«
    »Sheng«, stieß Pansiao bebend hervor, »wie wird er uns finden?«
    Mayli hielt einen Augenblick inne. »Daran habe ich auch schon gedacht«, erwiderte sie. »Schau, wir wollen bei der Frau, die heute das Kind bekommen hat, einen Brief zurücklassen. Heute abend wird sie nach Hause geschickt. Ich will ihr den Brief geben, und sie soll ihren Mann bitten, darauf zu achten, ob ein Chinese hierherkommt. Wenn Sheng feststellt, daß wir fortgezogen sind, wird er natürlich zu den Chinesen gehen.«
    Noch immer war Pansiao nicht befriedigt. Sie ließ den Kopf hängen, schlang die Finger ineinander und warf der arbeitenden Mayli dann und wann einen Seitenblick zu.
    Mayli beobachtete dies eine Weile und sagte dann: »Sprich aus, was hinter deinen Lidern ist, denn ich kann sehen, daß dort etwas ist.«
    »Es ist nichts hinter meinen Lidern«, versetzte Pansiao warm. »Nichts, das heißt, nichts von Bedeutung. Das heißt, es bedeutet für mich nichts. Aber wenn wir für Sheng einen Brief zurücklassen …«
    Da dämmerte Mayli eine Vermutung. »Wir sollen auch für Charlie Li einen zurücklassen«, rief sie lachend.
    Sie schabte Rübchen mit ihren Zeigefingern, eine alte kindliche Spottgebärde, mit der Mädchen einander zu necken pflegten, worauf Pansiao sich das Gesicht mit ihrem Rock bedeckte und davonlief.
    Allein zurückgeblieben, hörte Mayli jählings zu lachen auf; sie seufzte und stand lange Zeit regungslos da, die emsigen Hände auf den Rand des Korbes gestützt. Es war möglich, daß sie und Sheng sich nie wieder begegnen würden.

20
    An diesem Abend schrieb Mayli einen Brief an Sheng. Sie faßte ihn kurz und klar ab, denn sie wußte nicht, wessen Augen darauffallen würden; was sie schrieb, war dies:
    »Sheng,
morgen in aller Frühe setzen wir uns befehlsmäßig in Marsch. Der Amerikaner wird Dir sagen, wohin wir gehen, falls Du es nicht auf andere Weise festzustellen vermagst. Wenn Du uns folgen kannst – ich werde Tag und Nacht auf Dich warten, desgleichen Deine Schwester. Ich glaube, daß Du lebst. Wüßte ich es nicht, wenn Du tot wärest?«
    Nachdem sie diesen kurzen Brief geschrieben hatte, saß sie eine Weile nachdenklich da und überlegte, ob sie noch jemandem schreiben sollte. Sie wußte recht gut, daß sie von diesem Feldzug, den der General plante, vielleicht nie mehr zurückkehren würde. Sie wußte, daß dem General gehorcht werden mußte, und doch konnte sie des Amerikaners Warnung nicht vergessen, daß der Plan des Generals Wahnsinn sei, weil er nicht genug Leute zur Ausführung hatte. Wenn ihr der Tod auf diesem Feldzug bestimmt war – denn der Feind schonte weder Weib noch Mann –, wem sollte sie noch schreiben?
    Sie dachte an ihren Vater in Amerika. Sicherlich sollte sie ihm doch wohl schreiben? Gleichviel, sie vermochte es nicht. Er schien so weit weg, wußte so gar nichts von ihrem Leben und seinen Forderungen; und wie konnte sie ihm jetzt von Anfang an erklären, wo sie steckte und warum sie sich hier befand? So lange hatte sie geschwiegen, daß es nun nicht mehr möglich war, das Schweigen zu brechen.
    Gab es niemanden, dem sie gern gesagt hätte, daß dies die letzte Nacht vor einem großen Feldzug war? Während ihre Gedanken wanderten, fiel ihr Shengs Familie in dem Dorf bei Nanking ein, und sie erkannte, daß sie diesen Menschen schreiben könnte. Sie würden wissen, um was für eine Schlacht es sich handelte, wie der Feind war und welche Gefahr morgen bestand.
    So schrieb sie in raschen, deutlichen Schriftzeichen einen ihrer Briefe an Jade, und ihr berichtete sie die genaue Wahrheit – daß Sheng nicht zurückgekehrt war, daß sie ihn jedoch nicht für tot hielt und daß sie morgen mit den andern einem neuen Lager und einer neuen Front entgegenzog. Danach grübelte sie, ob sie sonst noch etwas zu erzählen hätte. Die Nacht ringsum war sehr dunkel, die Luft dick von Hitze. Sie saß in ihrem kleinen Zelt, und das Licht, bei dem sie schrieb, kam aus einer Papierlaterne. Es war eingehüllt in eine Wolke aus Faltern und Käfern, die ringsum kreisten und schwärmten und verbrannt aufs Papier fielen. Mayli fegte sie mit der Hand fort und schrieb weiter: »Ich möchte Euch noch mitteilen, daß unsere Verbündeten uns hier nicht gestützt haben. Habt keine großen Hoffnungen, denn wir sind im Rückzug begriffen. Ich sage Euch

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