Das Geloebnis
Die Zeiten sind ohnehin schlecht für Kinder.«
Doch gleichwohl betete die Frau mit den Perlen zwischen den Fingern abends und morgens zu Kwanyin, und noch immer hegte sie Hoffnung.
Deshalb war Lao Ta die ganze letzte Zeit recht fröhlich gewesen, so daß sich die Düsterkeit sogleich auf seinem Antlitz zeigte, wenn er sie fühlte; und alle teilten seine düstere Stimmung, als er erzählte, was er und sein Bruder an diesem Tag in der Stadt gehört hatten. Spät abends saßen sie noch beieinander, sprachen darüber und machten Pläne, was getan werden sollte, wenn Burma fiel.
»Diese Weißen …«, bemerkte Ling Tan immer wieder, »nie hätte ich gedacht, daß die Weißen versagen könnten. Ja doch, ihre Gewehre, ihre Waffen … wie war das möglich?« Und traurig dachte er, wie wenig ihr Gelöbnis wert sei, wenn Burma fiele. »Jahre wird es für uns dauern, wenn wir abgesperrt werden«, murmelte Lao Er betrübt, und seine Augen suchten die seiner Frau.
»Sollen unsere Kinder als Sklaven aufwachsen?« schrie Jade auf. Jade aber hatte die ganze Zeit schweigend dagesessen, und ihr plötzlicher Aufschrei bewirkte, daß alle sie anstarrten. Darauf brach sie in Tränen aus und rannte aus dem Zimmer.
Ling Tan blickte seinem zweiten Sohn ins ernste Gesicht. »Was meint sie?« fragte er.
»Sie hat große Angst, daß unsere Kinder nicht wissen werden, was Freiheit ist«, antwortete Lao Er. »Bis jetzt hoffte sie über alle Vernunft, daß die Weißen die Gegner rasch vernichten würden, und sie weiß, daß in dieser Hinsicht Burma unsere letzte Hoffnung ist.«
»Sie weiß immer zuviel«, seufzte Ling Sao. »Deine Frau, mein Sohn, weiß soviel wie ein Mann.«
Ling Tan sprach wieder zu Lao Er. »Wenn du willst, daß deine Söhne frei aufwachsen, dann mußt du dieses Haus verlassen.«
»Was?« rief Ling Sao. »Soll ich zusehen, wie meine Enkel hinausziehen und verlorengehen wie mein dritter Sohn?« Sie führte ihre blaue Schürze an die Augen und weinte laut, und Lao Er beeilte sich, sie zu trösten.
»Aber, Mutter«, beschwichtigte er, »warum mußt du immer beim Ende beginnen, bevor ein Anfang da ist? Habe ich gesagt, daß ich dir deine Enkel fortnehmen werde?«
»Nein«, schluchzte Ling Sao. »Aber wenn Jade gehen will, wirst du gehen.«
»Wie können wir drei kleine Kinder heimlich fortbringen?« entgegnete Lao Er. »Das ist nur ein Traum von ihr. Wir werden dich nicht verlassen.«
Ling Sao ließ sich jedoch nicht so ohne weiteres trösten. »Wenn Jade träumt, bekomme ich Angst«, bekannte sie, und obwohl Lao Tas Frau ihr heißen Tee brachte, um sie zu beruhigen, wollte sie ihn doch nicht trinken.
So trennten sie sich schließlich und gingen zu Bett, ohne daß einer von ihnen sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
Jetzt lag Ling Sao im Bett und dachte, welch großer Kummer es sein würde, wenn keine Kinder im Haus wären; das würde sogar noch schlimmer sein als der Verlust ihres dritten Sohnes. Als ihr dieser Gedanke kam, fand sie sich schlecht, so von ihrem eigenen Sohn zu denken, und sie begann, sich nach Lao San zu sehnen. Sie weinte leise vor sich hin.
Ling Tan hörte sie weinen, und er sprach scharf von seinem Kissen her. »Hör auf zu weinen, Weib. Deine Augen sollten allmählich ausgetrocknet sein bei all dem Kummer, den wir haben.«
»Soll ich mein Leben kinderlos beenden?« schrie sie auf.
»Du denkst noch immer nur an dich«, gab er müde zurück. »Aber du und ich, Alte, wir sind so gut wie tot. Können wir die Kleinen als Sklaven aufwachsen lassen? Jade hat recht.«
Diese Worte bewirkten, daß Ling Sao erneut in Weinen ausbrach, und da er infolge seines Alters sehr müde war, brachte er keine Geduld mehr mit ihr auf. Er streckte die Hand aus und schlug sie auf die Wange. »Hör auf, hör auf«, rief er, »sonst machst du mich auch noch schwach.«
Daraufhin hörte sie auf zu weinen, und ohne seine Heftigkeit zu fürchten, streckte sie ebenfalls die Hand aus. Sie berührte seine Wange und fühlte, daß sie naß war. Da wurde sie ruhig.
»Du auch?« flüsterte sie.
»Sei still«, murmelte er, aber seine Stimme tat ihrem Herzen weh.
»Mein lieber Alter«, sagte sie und gab ihren Willen auf. Mochte kommen, was kommen mußte.
Und in der heißen Nacht saß Sheng mit gerunzelter Stirn und in Erinnerungen versunken da, und auch Pansiao neben ihm gab sich Erinnerungen hin. Mayli ließ die beiden allein sein, als wäre sie selbst überhaupt nicht anwesend.
Pansiao streckte ihre Hand aus, die
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