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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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ist. Und auch was man hat. Aber hier bei euch ist es glatt. Und wenn man ne Zeit unterwegs ist, dann wird man müde. Dann sieht man die rutschigen Stellen nicht mehr. Plötzlich, da liegt man. Und wo liegt man dann hier in der Stadt, Hermann, das frag ich dich, wo liegt man dann hier?
    Du, sag das nicht, Helene, nee, sag das nicht. Sauber ist das Pflaster bei uns immer. Ich habe siebenunddreißigJahre gefegt. Jeden Stein kenne ich. Wenn ich meine Tour rum hab, dann ist das aber wie geleckt, meine Gute. Wie ge-leckt!
    Ich weiß wohl, Hermann, a –
    Umsonst haben sie mich nicht siebenunddreißig Jahre im Staatsdienst behalten. Wir sind alle solange dabei. Und umsonst nicht, Helene, das kannst du mir glauben. Wenn ich meine Tour rum hab, dann ist das aber wie geleckt, meine Gute. Wie ge-leckt!
    Das weiß ich doch, Hermann. Ich mein das doch nur übertragen, symbolisch, verstehst du?
    Symbolisch meinetwegen. Aber meine Tour ist sauber, wenn ich rum bin. Aber wenn du das symbolisch meinst, dann magst du recht habn. Aber bei euch draußen ist auch nicht alles so sauber, Helene, das vergiß nicht. Auf dem Lande ist auch manchmal allerhand los, meine Gute.
    Ich weiß wohl, Hermann, ich weiß wohl. Aber hier in der Stadt – –
    Natürlich, hier in der Stadt – –
    Die beiden stehn lange im Torweg. Der Abend wird noch violetter. Der Abend wird langsam Nacht. Liebespaare schwimmen manchmal vorbei. Die ganze Stadt ist violett. Nur die Fenster sind manchmal gelb oder grün. Manchmal auch rot. Aber sonst ist alles ganz violett. Und von den Liebespaaren hört man nur mal ein Wort. Manchmal auch nichts. Das Violett hat sie ganz verschluckt. Das Violett hat alles verschluckt.
    Da patscht Herr Lorenz sich gegen die Stirn. Die Mücken, sagt er, sowie man nicht raucht!
    Ich will auch man gehn, sagt seine Schwester, es wird sonst zu spät.
    Ja, sagt Herr Lorenz, dann denk man nicht soviel, hörst du? Er kommt wohl noch wieder. Hört man doch oft, daßein Vermißter mitn mal wieder da ist. Wenn der Krieg längst vorbei ist, hört man das noch. Hört man doch ziemlich oft.
    Ach, weißt du – –
    Nein nein, Helene, unterkriegen lassen darfst du dich nicht. Eine Lorenz läßt sich nicht unterkriegen, Helene. Schon allein der Kinder wegen nicht. Die brauchen dich ja letztenendes. Schlappmachen darfst du nicht. Wart man, mitn mal ist er plötzlich wieder da.
    Ach, Hermann – –
    Durchhalten, Helene, durchhalten. Paß auf, sollst sehn, mitn mal kommt er wieder. Das gleicht sich alles wieder aus, Helene. Son Krieg macht viel Ärger. Aber das gleicht sich alles wieder aus. Ich hab auch meinen Ärger mit den Kriegen gehabt, das kann ich dir sagen. Einen ziemlichen Ärger. Aber das gleicht sich alles wieder aus, Helene, das kann ich dir sagen, das gleicht sich alles wieder aus. Ich hab auch n Berg Ärger mit den Kriegen gehabt. Damals mit dem. Und mit diesem erst. Das kann ich dir flüstern. Die ganzen Jahre das doppelte Revier zu fegen. Warn doch alle mit draußen von der Straßenreinigung. Bis auf die Kranken. Und die hierbliebn, die hatten n Berg Ärger, das kann ich dir sagen. Die ganzen Jahre das doppelte Revier. Bei dem Essen. Und dann wurden die Besen so schlecht. Und dann lagn die Straßen so voll. Wenn sie rausmachten von den Kasernen zum Bahnhof, die Jungens, dann konnten wir hinterher drei Tage lang fegen. Was meinst du, wie die Straßen aussahn von den Kasernen zum Bahnhof. Das kann ich dir sagen. Aber das gleicht sich alles wieder aus. Paß auf, Helene, er kommt noch wieder, was ich dir sage, er kommt noch wieder. Das gleicht sich alles sachte wieder aus. Bei uns war das auch so. Was hatten wir fürn Ärger. Und jetzt kommen sie wieder, die Jungs. Jetzt, wo es vorbei ist. Und jetzt sammeln sie alles auf, was sie bloß sehn. Nee, nicht nur die Landser. Alle.Jetzt liegt bald nichts mehr auf der Straße. Heut wirft kein Mensch mehr was weg, sag ich dir. Heut sammeln sie alle. Und was haben sie damals die Straßen versaut. Von den Kasernen zum Bahnhof. Mit Musik. Kinder Kinder. Da hatten wir hinterher ne Last mit, das kann ich dir sagen. Diese elenden Kriege.
    Meinst du, fragte Helene.
    Was? sagte Herr Lorenz.
    Daß er noch kommen kann?
    Aber klar doch, Helene, aber klar doch. Ich sag doch, das gleicht sich alles wieder aus. Denk an die Straßen. Wie die vollgesaut waren. Von den Kasernen bis runter zum Bahnhof – ein Dreck. Immer wenn son Schwung an die Front ging, hatten wir da die Last mit. Aber jetzt, wo es vorbei ist, jetzt

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