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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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hat ihm doch den Kopf abgehauen.
    Meinst du, deswegen ist er so klein?
    Was sonst.
    Begraben sie ihn nun so?
    Wie?
    So ohne Kopf.
    Was sonst. Den hat sie doch mitgenommen.
    Junge Junge. Das war aber auch eine. Muß der Alte einen in der Krone gehabt haben.
    Na, laß ihn man.
    Natürlich. Jetzt hat er ja doch nichts mehr davon.
    Nee.
    Sie wickelten sich wieder in die Decken.
    Du.
    Ja?
    Meinst du, ob das ein richtiges Mädchen war?
    Wegen dem Kopf?
    Na ja.
    Nee, du. Ein richtiges Mädchen? Nee.
    Dann hat sie ihn auch noch mitgenommen.
    Na Mensch.
    Ob sie das nur wegen der Stadt getan hat?
    Was sonst.
    Junge Junge. Einfach so den Kopf.
    Ich danke.
    Ich auch, weißt du, ich auch.
    Und er schlug wieder mit den Füßen den Takt:
    Es war einmal ein Känguruh
    das nähte sich den Beutel zu
    den Beutel zu
    den Beutel zu – – –
    Als die beiden Mädchen durch die Stadt gingen, schrien alle. Die Große trug einen Kopf. Ihr Kleid hatte dunkle Flecke. Sie zeigte den Kopf.
    Judith! schrien alle.
    Sie hob ihr Kleid hoch und machte einen Beutel daraus vor der Brust.
    Da lag der Kopf drin. Sie zeigte ihn.
    Judith! schrien alle. Judith! Judith!
    Sie trug den Kopf im Kleid vor sich hin. Wie ein Känguruh sah sie aus.

Nachts schlafen die Ratten doch
    Das hohle Fenster in der vereinsamten Mauer gähnte blaurot voll früher Abendsonne. Staubgewölke flimmerte zwischen den steilgereckten Schornsteinresten. Die Schuttwüste döste.
    Er hatte die Augen zu. Mit einmal wurde es noch dunkler. Er merkte, daß jemand gekommen war und nun vor ihm stand, dunkel, leise. Jetzt holen sie mich! dachte er. Aber als er ein bißchen blinzelte, sah er nur zwei etwas ärmlich behoste Beine. Die standen ziemlich krumm vor ihm, daß er zwischen ihnen hindurchsehen konnte. Er riskierte ein kleines Geblinzel an den Hosenbeinen hoch und erkannte einen älteren Mann. Der hatte ein Messer und einen Korb in der Hand. Und etwas Erde an den Fingerspitzen.
    Du schläfst hier wohl, was? fragte der Mann und sah von oben auf das Haargestrüpp herunter. Jürgen blinzelte zwischen den Beinen des Mannes hindurch in die Sonne und sagte: Nein, ich schlafe nicht. Ich muß hier aufpassen. Der Mann nickte: So, dafür hast du wohl den großen Stock da?
    Ja, antwortete Jürgen mutig und hielt den Stock fest.
    Worauf paßt du denn auf?
    Das kann ich nicht sagen. Er hielt die Hände fest um den Stock. Wohl auf Geld, was? Der Mann setzte den Korb ab und wischte das Messer an seinem Hosenboden hin und her.
    Nein, auf Geld überhaupt nicht, sagte Jürgen verächtlich. Auf ganz etwas anderes.
    Na, was denn?
    Ich kann es nicht sagen. Was anderes eben.
    Na, denn nicht. Dann sag ich dir natürlich auch nicht, was ich hier im Korb habe. Der Mann stieß mit dem Fuß an den Korb und klappte das Messer zu.
    Pah, kann mir denken, was in dem Korb ist, meinte Jürgen geringschätzig, Kaninchenfutter.
    Donnerwetter, ja! sagte der Mann verwundert, bist ja ein fixer Kerl. Wie alt bist du denn?
    Neun.
    Oha, denk mal an, neun also. Dann weißt du ja auch, wieviel drei mal neun sind, wie?
    Klar, sagte Jürgen und um Zeit zu gewinnen, sagte er noch: Das ist ja ganz leicht. Und er sah durch die Beine des Mannes hindurch. Dreimal neun, nicht? fragte er noch mal, siebenundzwanzig. Das wußte ich gleich.
    Stimmt, sagte der Mann, genau soviel Kaninchen habe ich.
    Jürgen machte einen runden Mund: Siebenundzwanzig?
    Du kannst sie sehen. Viele sind noch ganz jung. Willst du?
    Ich kann doch nicht. Ich muß doch aufpassen, sagte Jürgen unsicher.
    Immerzu? fragte der Mann, nachts auch?
    Nachts auch. Immerzu. Immer. Jürgen sah an den krummen Beinen hoch. Seit Sonnabend schon, flüsterte er.
    Aber gehst du denn gar nicht nach Hause? Du mußt doch essen.
    Jürgen hob einen Stein hoch. Da lag ein halbes Brot. Und eine Blechschachtel.
    Du rauchst? fragte der Mann, hast du denn eine Pfeife?
    Jürgen faßte seinen Stock fest an und sagte zaghaft: Ich drehe. Pfeife kann ich nicht ab.
    Schade, der Mann bückte sich zu seinem Korb, die Kaninchen hättest du ruhig mal ansehen können. Vor allem die Jungen. Vielleicht hättest du dir eines ausgesucht. Aber du kannst hier ja nicht weg.
    Nein, sagte Jürgen traurig, nein nein.
    Der Mann nahm den Korb und richtete sich auf. Na ja, wenn du hierbleiben mußt – schade. Und er drehte sich um. Wenn du mich nicht verrätst, sagte Jürgen da schnell, es ist wegen den Ratten.
    Die krummen Beine kamen einen Schritt zurück: Wegen den Ratten?
    Ja, die essen doch von Toten. Von

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