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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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hatte meinen Dolch schon gezogen, doch dann hat mich seine Furchtlosigkeit beeindruckt. Er zeigte nicht die geringste Angst vor dem Tod, und ich wollte wissen, warum. Also fragte ich ihn, und so entstand ein Gespräch zwischen uns, in dessen Verlauf ich immer unfähiger wurde, das zu tun, was mir von Hauptmann Feng befohlen wurde.«
    »Wie konnte das geschehen? Hat Tschuang Tse dir mit seiner Redekunst Sand in die Augen gestreut?«
    »Nein. Er hat mir Sand aus den Augen gewischt, nicht
so sehr mit seiner Redekunst, sondern vielmehr mit seinem ganzen Wesen, das sich in seinen Worten nur widerspiegelt.«
    »Ich verstehe dich nicht! Bist du dir über die Folgen deiner Befehlsverweigerung im klaren?«
    »Ja, das bin ich.«
    Tan Yong schüttelte verständnislos den Kopf. »Dieser Mann hat dich verwirrt, und zwar so sehr, daß dir deine Verwirrung nicht einmal mehr bewußt ist. Prinz Yan hat recht mit seiner Einschätzung, daß Tschuang Tse gefährlich ist. Du bist der lebende Beweis seiner Gefährlichkeit! Doch du wirst gleich ein toter Beweis sein, es sei denn ...«
    »Es sei denn?«
    »Es sei denn, daß du jetzt schleunigst deinen Verstand zurückgewinnst, den Tschuang Tse dir geraubt hat, wieder ins Dorf gehst und das tust, was du längst hättest tun sollen: Hauptmann Fengs Befehl ausführen!«
    »Ich werde Tschuang Tse nicht töten!«
    »Doch, das wirst du, und ich werde dir dabei zusehen! Danach reiten wir gemeinsam zum Palast zurück, und wenn ich Hauptmann Feng Bericht erstatte, werde ich ihm dein Versagen verschweigen. Es ist für jeden Soldaten schwierig, zum ersten Mal einen unbewaffneten Mann zu töten. Beim zweiten Mal wird es leichter für dich sein, und beim dritten Mal wird es wie von selbst geschehen. Und nun laß uns gehen!«
    »Nein! Ich sagte dir bereits, daß ich Tschuang Tse nicht töten werde!«

    Aufgebracht zog Tan Yong sein Schwert aus der Scheide, ging schnell drei Schritte vorwärts und richtete die Spitze seiner Waffe auf Min Teng. »Dann werde ich dich töten – und anschließend Tschuang Tse! Du wirst seinen Tod nicht verhindern können, aber dein Leben kannst du noch retten! Also sei nicht dumm und nutze das kameradschaftliche Angebot, das ich dir gemacht habe.«
    »Du würdest mich mit deinem Schwert töten, obwohl ich kein Schwert bei mir trage? Kannst du das mit deiner Soldatenehre vereinbaren?«
    »Rede du mir nicht von Soldatenehre! Du hast deinen Anspruch auf einen ehrenhaften Kampf verwirkt! Jeder andere an meiner Stelle hätte dir längst den Kopf abgeschlagen, den Tschuang Tse dir so sehr verdreht hat, daß du nicht mehr weißt, was richtig und was falsch ist!«
    »Nein, es ist umgekehrt! Dank Tschuang Tse weiß ich zum ersten Mal in meinem Leben, was richtig und was falsch ist.«
    Verblüfft von Min Tengs Antwort und der Festigkeit, mit der er sie gegeben hatte, senkte Tan Yong einen Augenblick lang sein Schwert, um es dann wieder anzuheben.
    Die Blicke der beiden Männer trafen sich zu einem eindringlichen Gespräch jenseits der Sprache. Tan Yong las in Min Tengs Blick die gleiche Unnachgiebigkeit, die sich in seinen Worten gezeigt hatte. Min Teng sah in den Augen seines ehemaligen Kameraden die Entschlossenheit,
von seinem Schwert Gebrauch zu machen, aber er erkannte auch eine Spur von Zögerlichkeit und ein hastiges Suchen nach einem Ausweg.
    »Warum sollen zwei Männer sterben, wenn nur einer sterben müßte?« fragte Tan Yong.
    Min Teng gab ihm keine Antwort.
    Während sie sich reglos im kniehohen, von der lange Dürre gelb gewordenen Gras der Lichtung gegenüberstanden, von ihren Blicken wechselseitig gebannt, erkannte Min Teng, daß Tan Yongs Kampf gegen sein Gewissen sich dem Ende zuneigte. Er spürte, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis Tan Yong den tödlichen Schwerthieb gegen seinen Hals ausführen würde. Nur noch wenige Atemzüge trennten ihn von seinem Tod, und er stellte verwundert fest, daß er sich nicht vor dem Sterben fürchtete, während er sich mit allen Fasern seines Wesens dagegen auflehnte, daß auch Tschuang Tse durch die Hand des Mannes sein Leben verlieren würde, aus dessen Augen die letzten Anzeichen des Zögerns und Zweifelns wichen. Wenn schon nicht um sein eigenes Leben, sagte sich Min Teng, so wollte er um Tschuang Tses Leben kämpfen, und seine Hand legte sich auf den Knauf seines Dolches. Doch was konnte ein Dolch gegen die Hiebwaffe in der Hand eines meisterlichen Schwertkämpfers ausrichten? Aber war es nicht besser, kämpfend zu

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