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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verdecken. Er lächelte sogar, sein wild vernarbtes Gesicht mit dem lippenlosen Mund wurde zu einer schrecklich grinsenden Fratze.
    »Einen Ton haben Sie, Frau Doktor …«, sagte er mit mühsam fester Stimme.
    »Na ja, den versteht ihr wenigstens! Soll ich mit euch heulen? Das wäre ein schöner Gesangverein. So, und nun legen Sie sich lang und bleiben Sie liegen. Baumann wird Sie nachher zum Verbinden abholen. Und daß mir das Gesicht trocken ist! Wie sieht denn so ein nasser Verband aus?«
    »Ich danke Ihnen, Frau Doktor«, sagte Schwabe leise. »Ich werde Ihnen ewig danken!«
    »Sie reden schon wieder Dummheiten, Schwabe! An Ihre Frau sollten Sie jetzt denken und was Sie ihr sagen wollen, wenn sie zum erstenmal vor Ihnen steht und Sie sieht. Das ist nicht einfach.«
    »Ich habe mir das alles schon überlegt, Frau Doktor. Seit Monaten schon jedes Wort.«
    »Und was wollen Sie sagen?«
    »Nicht viel. Nur: ›Da bin ich, Uschi.‹«
    »Typisch Mann!« Dr. Mainetti knüpfte ihren weißen Arztkittel zu. »Hier bin ich – und damit ist alles in Ordnung!«
    »Was soll man denn sonst sagen?«
    »Etwas Liebes, etwas Tröstendes …«
    »Jawohl!« Dr. Mainetti wandte sich an die anderen, die stumm herumstanden. »Ihr müßt euch endlich abgewöhnen, zu denken, daß man euch trösten muß! Eure Frauen und Mütter brauchen Trost, wenn sie euch so sehen.«
    »Ooch det noch!« sagte Paul Zwerch, der Berliner. »Und wer hat mir jetröstet?«
    »Ich!« Lisa sah den Berliner ernst an, und der Junge senkte den Kopf und scharrte mit den Fußspitzen über den Boden. »Soll ich erzählen, wie's war, als man Sie einlieferte, lieber Zwerch? Aus dem Fenster wollten Sie sich stürzen, und später haben Sie mich zwei Tage lang angefleht, Ihnen eine Überdosis Morphium zu geben, damit det Unjeheuer von Mensch weg ist! Na, und jetzt? Wer hat im Block B die größte Schnauze?«
    Der Berliner nickte schwach. »Sie sin 'ne dufte Frau«, sagte er leise. »Ick danke Ihnen. Jehn wir also hin und trösten die Ursula.«
    »Und Sie werden vorher mit ihr sprechen, nicht wahr, Frau Doktor?« rief Schwabe ihr durch die offene Tür nach, als Lisa das Zimmer schon verlassen hatte. Vom Flur her nickte sie ihm zu.
    »Natürlich, Schwabe! Wenn Sie vor Ihrer Frau stehen, kriegen Sie ja doch kein Wort heraus.«
    Die Tür klappte zu. Schwabe legte die Hände unter seinen Kopf und sah hinüber zu seinen Stubengenossen.
    »Woher Sie das bloß weiß?« sagte er.
    Major Braddock sah erstaunt auf das Whiskyglas, das vor ihm auf dem Tisch stand. Es war leer, und niemand machte Anstalten, es zu füllen. Professor Rusch saß hinter seinem Schreibtisch. Man sah ihm an, daß er es als unangenehm empfand, was Lisa Mainetti hier, ohne ihn zu fragen, arrangiert hatte. Sie stand neben Braddock, an den Schreibtisch gelehnt, und sie hatte den Arztkittel mit einem hellen, luftigen Sommerkleid vertauscht.
    Damned, dachte James Braddock. Sie ist ja eine Frau, und was für eine! Sie hat einen schlanken, schönen Körper, lange, gerade Beine und einen Kopf wie eine Römerin. Und jünger sieht sie plötzlich aus – sie ist von jener Unbestimmbarkeit, die einen Mann reizt, die Reife einer Frau festzustellen.
    »Hier bin ich also«, sagte Braddock und schielte wieder auf das leere Whiskyglas. »Ich konnte nicht widerstehen, sofort Ihrer Bitte nachzukommen, Miß Mainetti.« Er legte seine Hand um das Glas, es wirkte aufreizend auf ihn durch seine Leere. Dr. Mainetti lächelte und tippte Braddock auf den Handrücken.
    »Sie vermissen Whisky, Major?«
    »Ein leeres Glas irritiert mich immer. Warum steht es hier?«
    »Ihretwegen. Ich nehme an, daß Sie eine Flasche bei sich haben. Wenn Sie nichts dagegen haben, hole ich für den Chef und mich auch noch ein Glas.«
    James Braddock starrte Lisa entgeistert an. Dann lachte er schallend, zog aus der Tasche eine flache Flasche und stellte sie auf den Schreibtisch. »Diese Erpressung sollten Sie sich patentieren lassen!« rief er. »Verdammt, ich muß nach Germany kommen, um so eine Frau kennenzulernen.«
    Lisa Mainetti hielt Braddock ihr und Ruschs Glas hin. Sie schien ausgelassen fröhlich zu sein, ebensosehr sehr wie Professor Rusch stumm und sichtlich mißgelaunt war.
    »Es ist eben doch etwas dran an dem Begriff ›Made in Germany‹!« rief sie. Braddock vergoß vor Lachen seinen Whisky, er lief Lisa über die Hand und den Unterarm.
    »Ein Teufelsweib!« rief er.
    »Ich finde, du benimmst dich ein wenig frivol«, sagte Professor Rusch.

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