Das geschenkte Gesicht
Da drückte er die Finger gegen ihren Hals, schlug auf sie ein, in blinder, verzweifelter Wut. Er rang mit ihr, keuchend und brutal, bis ihre Körper schweißüberzogen in- und übereinanderglitten.
»Zwei Jahre –«, röchelte er. »Zwei Jahre. Und wenn ich dich dabei umbringe.«
Später lag Susanne Oster vor ihm, blaß, mit geschlossenen Augen, blutverschmiert und wie ein knochenloser Körper in einer seltsam verkrümmten Stellung. Christian Oster saß neben ihr und streichelte weinend ihren mißhandelten Leib.
»Verzeih' mir«, sagte er schluchzend. »Aber ich konnte nicht mehr. Verstehst du das denn nicht, Susi? Ich konnte einfach nicht mehr. Freiwillig wärst du nie zu mir gekommen.«
Sie antwortete nicht. Wie tot lag sie vor ihm. Da sprang er auf, holte warmes Wasser und wusch den Körper wie ein Leichenwäscher. Sie ließ es geschehen, mit geschlossenen Augen, um den Mund ein Ausdruck tiefster Verachtung.
Am Morgen sprach sie ebenfalls nicht darüber. Stumm machte sie wie jeden Morgen seinen Kaffee, packte ihm Frühstücksbrote ein und duldete seinen scheuen Abschiedskuß. Und dann saß sie allein in dem kleinen Haus am Stadtrand, starrte in den Spiegel und sah sich an. Ein bleiches, schmal gewordenes Gesicht, mit Augen, die in tiefen Schatten lagen. Ein rundlicher Körper, auf dem die Striemen der Nacht lagen wie rote, vollgefressene Würmer.
Am Abend kam Christian Oster später als sonst zurück.
Er war betrunken.
Mit hartem Griff faßte er Susanne, zerrte sie wieder ins Schlafzimmer und vergewaltigte sie von neuem. Sie biß ihm wie eine Wildkatze in das neue Gesicht, sie riß ihm mit den Zähnen die mühsam gestalteten neuen Lippen auf – es kümmerte ihn nicht. Er zwang sie unter seinen Willen und nahm sie mit einem Schrei, der sich anhörte wie ein Triumphgeheul.
Und so war es jetzt jede Nacht. Er war betrunken und tat ihr Gewalt an. Und von Tag zu Tag verfiel er mehr, und sein Blick wurde glasig, starr und fast irr.
Aber dann weinte er wie ein Kind.
»Verzeih mir, verzeih«, stammelte er dann.
Aber sie sprach kein Wort, sie legte die Hände auf ihren Leib und drehte den Kopf zur Seite. Sie haßte ihn, und er spürte es und suchte Vergessen in neuer Wildheit.
Major James Braddock war zurück in die USA gefahren. Es hatte einen whisky-fröhlichen Abschied gegeben, und Lisa Mainetti hatte traurig an der Straße gestanden, als Braddocks Jeep noch einmal eine Runde um den Schulhof fuhr und dann hinausknatterte auf die Chaussee nach Würzburg.
»Ich komme wieder, Darling«, hatte Braddock gerufen. Auch ihm versagte die Stimme am Schluß. Verdammt, dachte er. Da ist man in dieses Land gekommen, um das Unrecht auszutreiben. Man hatte sich gesagt: ›Diesen Deutschen werden wir es zeigen. Eher geben wir einem Nigger die Hand als einem dieser Pseudogermanen.‹ Und nun? Man hatte sich in dieses Land verliebt, und der Abschied war schwerer als jener Abschied vor zwei Jahren im Hafen von New Orleans. Ein Stück Herz blieb zurück und – verflucht – es war das beste Stück, das man anzubieten hatte.
Seine letzte Tat als Kommandant war gewesen, Schloß und Lazarett Bernegg als aufgelöstes Kriegsgefangenenlager zu erklären und die Überführung in die Zivilverwaltung vorzubereiten. Der bayerische Staat übernahm die Zuständigkeit. Man merkte es sofort daran, daß jetzt jeden Tag lange Fragebogen eintrafen, ein neuer Verwaltungsdirektor die Leitung übernahm und umständlich Kostenberechnungen angestellt wurden, ob es sich lohnte, diese Spezialklinik aufrechtzuerhalten, oder ob es besser sei, die Gesichtsverletzten durch die heimatlichen Kliniken behandeln zu lassen.
»Ich habe Medizin studiert, nicht um Buchhalter zu werden, sondern um zu helfen«, sagte Professor Rusch nach zwei Tagen zu dem neuen Verwaltungsdirektor, als der wieder um Unterlagen bat. »Wenn man Geld genug hatte, sechs Jahre Krieg zu führen, sollte man auch Geld genug haben, die Opfer dieses Irrsinns anständig zu versorgen.«
»Sie vergessen, daß wir den Krieg verloren haben«, sagte der Verwaltungsmann indigniert.
Major Braddock hatte die Schlacht der Fragebogen noch in ihren Anfängen miterlebt. Er lächelte breit und musterte den papierübersäten Schreibtisch Ruschs.
»Es ist wahrscheinlich die größte Strafe für die Deutschen, wenn sie den Deutschen überlassen werden«, sagte er grinsend. »Stellen Sie sich vor, wir zögen plötzlich ab und überließen Sie Ihrem Schicksal.«
»Das wäre teuflisch«, antwortete
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