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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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größte Ereignis war, als man Ihnen das Gesicht wegrasierte«, sagte Professor Rusch grob. »Alles andere ist dagegen unwichtig. Diese Operation muß sofort gemacht werden.«
    »Aber wenn sie noch einige Tage Zeit hat – nur ein paar Tage noch, Herr Professor.«
    »Ich kann diese Verantwortung nicht übernehmen. Ach was, Schwabe, ich lasse Sie einfach nicht weg aus Bernegg.«
    Schwabe senkte den Kopf. Er wußte, daß Rusch es gut meinte, er wußte, daß er recht hatte, er spürte, daß in seinem Kopf etwas war, das gefährlicher war als alles, was er bisher durchgestanden hatte. Aber er sah nicht ein, daß es nicht ein paar Tage Zeit haben sollte.
    »Das war früher«, sagte Schwabe gepreßt. »Früher, Herr Professor, konnten Sie befehlen. Heute sind wir Privatpersonen.«
    »Ein Idiot sind Sie«, rief Dr. Mainetti laut. »Sie bleiben hier – und damit basta. Und wenn es gar nicht anders geht, holen wir Ihre Frau nach Bernegg und lassen sie hier entbinden. Wir können nicht nur neue Nasen und Kiefer machen.«
    »Wenn – wenn das möglich wäre«, sagte Erich Schwabe voll Hoffnung. »Frau Doktor – wenn Uschi nach hier kommen kann …«
    »Natürlich geht das.«
    »Kann ich ihr sofort schreiben? Oder sogar telegrafieren?«
    »Von mir aus.« Dr. Mainetti blinzelte Rusch zu, als sie dessen erstaunt fragenden Blick sah. »Erst einmal legen Sie sich auf das berühmte Zimmer B/14.«
    Erich Schwabe entschloß sich, sein Telegramm an Uschi bis zum nächsten Tag aufzuschieben. Famulus Baumann setzte ihn für die Nacht unter Eukodal, und so schlief er ruhig bis gegen 8 Uhr morgens.
    Professor Rusch hatte noch lange mit Lisa über die bevorstehende Operation gesprochen. Er hatte mit einem Histologen in Würzburg telefoniert und gebeten, zu der Operation herüberzukommen. Mit bleichem Gesicht hatte Lisa das Gespräch gehört und immer wieder die Röntgenbilder angesehen.
    »Du glaubst doch nicht, daß es …«, sagte sie dumpf und ließ das Wort unausgesprochen. Rusch hob die Schultern.
    »Wir müssen mit allem rechnen, Lisa. Es ist ja bekannt, daß durch traumatische Schäden Tumore entstehen können.«
    »Und – und wenn es – das ist?«
    Rusch hob wieder die Schultern, diesmal stumm und ohne Lisa anzusehen. Es bedurfte keiner Antwort, Lisa kannte sie selbst gut genug.
    »Willst – willst du es ihm sagen, wenn es wahr ist?«
    »Ja.«
    »Er wird sich wieder das Leben nehmen wollen.«
    »Diesmal nicht. Er hat ein Kind. Und er wird die Zeit, die ihm noch bleibt, nur für dieses Kind leben.«
    »Er wird wahnsinnig werden.«
    Rusch senkte den Kopf. Seine Stimme war klein und fast kläglich.
    »Das wird er so oder so – wenn es wahr sein sollte.«
    Die Operation wurde um zwei Tage verschoben. Der Histologe aus Würzburg hatte sich den Fuß verstaucht und lag mit Alkoholkompressen im Bett. Aber er versprach, sich so schnell wie möglich nach Bernegg fahren zu lassen.
    Erich Schwabe hatte einen Brief an Ursula geschrieben. Das erschien ihm besser als ein kurzes Telegramm. Er ließ ihn durch Eilboten wegschicken und wartete nun auf Uschis Anruf. Statt dessen kam einen Tag später ein Brief aus Köln. Nicht von Ursula, nicht von Karlheinz Petsch oder Frau Hedwig Schwabe. Es war ein unscheinbares, neutrales Kuvert, ein billiges Kuvert aus der Kriegszeit. Ein Brief ohne Absender.
    Verwundert riß Schwabe den Umschlag auf und entnahm ihm einen Zettel aus braungrauem Wehrmachtspapier. Mit einer alten, verschmutzten und typenverschlissenen Schreibmaschine waren ein paar Sätze geschrieben.
    »Sie Narr,
glauben Sie, Ihre Frau liebt Sie? Betrogen werden Sie. Sie können nichts dafür, daß Sie kein Gesicht mehr haben, deshalb tun Sie uns leid. Glauben Sie wirklich, dieser Petsch tut alles nur aus purer Kameradschaft? Fragen Sie doch mal Ihre Frau …
Einige Nachbarn.«
    Erich Schwabe las den Brief ein paarmal, ohne zu atmen. Dann seufzte er und legte sich zurück auf sein Bett im Zimmer 14.
    Wie gemein, dachte er. Wie kann man Uschi so verdächtigen.
    Aber dann dachte er weiter.
    Wer hatte ihn gedrängt, wieder nach Bernegg zu fahren?
    Wie kam es, daß gerade in diesen Tagen dieser Brief von Professor Rusch kam? Ein Brief – wie bestellt.
    Wie war es bei dem ersten Ausflug mit dem neuen Wagen. »Wir fahren, wohin Uschi will«, hatte Petsch gerufen. Immer hatte er Schokolade mitgebracht. Und als er, Schwabe, damals unverhofft zurückkehrte – wer saß im Keller? Wer trank Cognac? Wer hatte begonnen, eine Wohnung aufzubauen? Wer trat

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