Das geschenkte Gesicht
er den Schweiß abwischen konnte. »Zwei Küh und vier Schweinderl, dös san a paar Tausender, Frau Doktor.«
»Noch immer billiger als sechzehn Jahre Alimente«, sagte Lisa grob. Der Wastl nickte wissend.
»Dös is a Argument«, stellte er fest. »Einverstanden, Frau Doktor. Macht's mir nur wieder a guats G'sicht – und Zeit hob i a. Und wenn i wieder auf Zimmer B 14 dürft' …«
Lachend ließ Lisa den Wastl von einer Schwester auf das Zimmer bringen. Dann ging sie zu Rusch in den OP I.
»Alles klar«, sagte sie ihm ins linke Ohr, während er das Ohr eines Patienten verband. Ihre Stimme war voll unterdrücktem Jubel. Verwundert schielte Rusch zur Seite.
»Welche Fröhlichkeit? Was ist klar?«
»Soeben ist der Wastl Feininger eingetroffen.«
»Der Wastl? Was will denn der hier?«
»Er bezahlt die Hälfte von Schwabes Schulden.«
Es war einer der seltenen Augenblicke, in denen Professor Rusch überhaupt nichts mehr verstand und seine Frau nur entgeistert anstarrte.
James Braddock traf ebenso naturgewaltig ein. Allerdings nicht mit einem von einem Nebenbuhler zerschlagenen Gesicht, sondern in einem hellen Flanellanzug, Schuhen in Form indianischer Mokassins und in jeder Hand eine Flasche Whisky. So stand er unten in der Eingangshalle, bestaunt von den Schwestern, und brüllte durch das Treppenhaus.
»Hallo. Hallo. Miß Doktor. Goddam old James ist wieder da.«
Lisa und Rusch hörten das Gebrüll im Vorbereitungszimmer. Sie wuschen sich gerade nach einer anstrengenden Operation. Rusch hatte wieder einen Unterkiefer ›verlötet‹.
»Das ist doch nicht wahr«, sagte Lisa und ließ die Seife fallen. »Der kann doch nicht einfach da sein und ›Miß Doktor‹ brüllen.«
Sie stieß mit dem Ellenbogen die Tür auf und rannte mit nassen, tropfenden Händen auf den Gang. Braddock streckte die Arme weit aus, kaum, daß er Lisa sah. Sein rundes Gesicht unter den noch immer stoppeligen Haaren leuchtete wie pomadisiert.
»Lisa, Darling«, schrie er. »Come on – kiss me!«
»Braddock. Er ist es«, schrie Lisa zu der offenen Tür zurück. Nun erschien auch Professor Rusch, er trocknete sich die Hände ab und warf das Handtuch einer Schwester zu, die wie die anderen mit halboffenem Mund im Flur stand.
»Major«, rief Rusch. »Welche Freude!«
»Nicht Sie will ich ans Herz drücken, sondern Lisa. Come on, baby – darauf habe ich mich einige tausend Kilometer lang gefreut.«
Er umarmte Lisa und küßte sie ungeniert auf die lachenden Lippen. Dann hob er eine der Whiskyflaschen, schrie »hopp« und warf sie Rusch entgegen. Dieser fing sie eben noch auf und schüttelte lachend den Kopf.
»Jetzt kann ich sie küssen«, brüllte Braddock und küßte Lisa wieder. »Jetzt ist sie Ihre Frau, Professor. Und jetzt hat's auch keinen Sinn mehr, Sie zu erwürgen.«
Im Chefzimmer trank James Braddock erst einmal zwei Gläser Whisky, ehe er zu erzählen begann. In Zivil wirkte er viel zierlicher und kleiner, und man mußte sogar etwas Phantasie aufwenden, sich daran zu erinnern, daß dieser Mann einmal mit einem Jeep und umgeben von MP-Riesen vor das Schloß gefahren war und gesagt hatte: »Ich habe den Befehl, das Lazarett zu besetzen.« Und der ganze Bezirk Bernegg hatte Angst vor ihm.
»Meinen Brief haben Sie doch bekommen?« sagte Braddock. Er holte wieder die lange, flache Schachtel mit den Brissagozigarren aus der Innentasche des Rockes, zog den Strohhalm heraus und brannte sich die starke Zigarre an. »Er war ein Vorläufer. Damals stand mein Europatrip schon fest. Ich muß hier sein, wissen Sie. Kontaktaufnahme mit den europäischen chemischen Fabriken. Kinder, wenn ich bedenke, wie völlig zertrümmert Germany war und wie es heute wieder dasteht – man könnte direkt wieder Angst bekommen!«
Braddock seufzte und trank einen neuen Whisky. »Ich habe überall in den Staaten erzählt, welch ein toller Kerl Sie sind, Professor. Boys, habe ich gesagt, der setzt euch neue Nasen ins Gesicht, daß ihr von der alten nicht mal mehr träumen wollt. Und euch, liebe Mammies, nimmt er sechs Pfund Fett aus dem Hintern und modelliert euch eine Figur, deren Fotos man in der Brieftasche trägt.«
»Aber Braddock.« Professor Rusch schüttelte den Kopf. »Ich bin Gesichtschirurg. Was Sie da schildern, sind rein kosmetische Operationen.«
»Eben, eben. Damit können Sie im Monat einige tausend Dollar machen. Was glauben Sie, welche Publicity ich Ihnen drüben gemacht habe. Wenn Sie 'rüber kommen, werden sich die
Weitere Kostenlose Bücher