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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ernüchtert. Auch so kann eine Frau sein. Schlimmer als ein ostpreußischer Feldwebel! Und dabei sieht die Mainetti aus wie eine Frau auf einem berühmten Gemälde. Der Name fiel ihm nicht mehr ein … er hatte eine Abbildung in einer Illustrierten gesehen und gleich gedacht: Wie unsere Frau Doktor.
    Lisa Mainetti wartete, bis die Tür hinter dem Unteroffizier zufiel. Dann setzte sie sich neben Ursula Schwabe auf das Feldbett und drehte deren Gesicht vorsichtig nach oben. Mit einem großen Mullappen wischte sie das nachgesickerte Blut von der abgeschabten Haut und tupfte zugleich die Tränen weg.
    »Was ist denn?« fragte sie leise. Nichts war mehr an ihr von dem lauten Kommandoton, mit dem sie durch das Lazarett ging und die Landser strammstehen ließ, auch wenn sie immer sagte: »Jungs – ihr sollt nicht Männchen bauen – ihr sollt nur Ordnung halten und vernünftig sein!« Jetzt war ihre Stimme so weich und fraulich wie ihr Äußeres. Sie legte beide Hände um Ursulas Kopf. Es waren kühle, weiche Hände, und Ursula schlug die Augen auf und umklammerte die Arme der Ärztin wie eine Ertrinkende.
    »Wie … wie sieht Erich aus?« stammelte sie. Blankes Entsetzen stand in ihren Augen. »Ist er so wie … wie … Ich habe sie gesehen … sie haben ja gar keine Gesichter mehr.« Sie warf den Kopf auf die Seite und schrie auf. Ihr Körper krampfte sich zusammen und zuckte zurück. Dann lag sie starr, wie versteinert, und starrte zur Decke mit unbeweglichen, aufgerissenen Augen.
    Dr. Lisa Mainetti senkte den Kopf. Die drückende Sorge, daß das geschehen sei, was der Wachunteroffizier befürchtet hatte, war von ihr genommen. Aber eine neue Belastung war entstanden, und sie war noch weit schlimmer.
    »Wo haben Sie die Verletzten gesehen?« fragte sie.
    »Im Wald … über die Mauer … sie kamen über eine Wiese und sangen …« Wieder lief ein Zucken über Ursulas Gesicht. Die Erinnerung an das schreckliche Bild zerbrach die Starrheit des Entsetzens.
    »Aber die Mauer ist doch so hoch.«
    »Von einem Hügel …«
    »Eine Sauerei!« Dr. Mainetti verfiel wieder in den Lazarettton. Wir werden sofort einen dichten Stacheldrahtzaun ziehen, dachte sie. Da bemüht man sich, die Frauen schonend auf alles vorzubereiten, und dann können sie ein paar Schritte weiter über die Mauer sehen.
    Ursula Schwabe faßte wieder nach den Händen der Ärztin. Ihre Stimme schwamm in Tränen.
    »Sagen Sie es mir, Frau Doktor … bitte, bitte, sagen Sie es mir … Wie sieht Erich aus? Durfte ich darum Erich nicht sehen, weil er … weil er …«
    Dr. Mainetti strich fast zärtlich über Ursulas blonde Locken. Wie jung sie ist, dachte sie dabei. Fast zu jung, um zu begreifen, was das Schicksal von ihr verlangt. Sie ist das wahre Opfer. Der Mann wird sich mit einem neuen Gesicht zurecht finden. Aber ob sie es kann, diese kleine, gerade ins Leben getretene Frau mit der großen Hoffnung auf das Glück?
    »Er sieht nicht schön aus«, sagte sie vorsichtig. »Kein im Gesicht Verwundeter sieht gut aus. Aber das ist nur vorübergehend. Was wir Ärzte tun können, das tun wir. Alles, was in unseren Kräften steht, wird versucht werden, um auch Ihren Mann wiederherzustellen. Es werden Narben bleiben, das läßt sich nicht vermeiden. Und vielleicht wird er ein wenig anders aussehen als vorher … so ganz genau können auch wir nicht die Natur nachmachen. Aber er lebt! Und er wird leben bleiben, und wenn der Krieg noch zehn Jahre dauert. Für Ihren Mann gibt es keinen Krieg mehr, Sie werden ihn behalten können, ganz sicher. Das ist etwas, was heute Millionen anderer Frauen nicht sagen können. Ihnen, Frau Schwabe, hat der Krieg den Mann zurückgegeben … was haben da schon die paar Narben zu sagen, die er im Gesicht tragen wird?«
    »Aber … aber wenn er kein Gesicht mehr hat?« stammelte Ursula.
    »Er hat eins!« sagte Dr. Mainetti fest. »Ich verspreche es Ihnen: Wenn Sie ihn wiedersehen, wird er wieder ein Mensch sein.«
    »Und wann … wann ist das?«
    Dr. Mainetti hob leicht die Schultern. Hunderte von Malen hatte sie diese Frage von Müttern und Frauen gehört, und selbst die Väter hatten bei dieser Frage Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals gehabt. Und immer wieder hatte sie die Schultern gehoben und gesagt, was sie auch jetzt zu Ursula Schwabe sagen mußte:
    »Wir werden uns alle Mühe geben. Es kann ein Jahr dauern, aber auch zwei oder drei … oder mehr … Die Natur läßt sich nicht zwingen. Viele Operationen sind nötig, und jede

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