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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klar … nur ein paar Wochen noch …«
    Frau Schwabe nickte. Die Stimme versagte ihr plötzlich. Es war das erste, was sie dachte, als sie Erich in der Tür stehen sah: Mein Gott, so darf ihn Ursel nie sehen! Nie! Sie kann ihn noch so sehr lieben … diesen Anblick wird sie nie vergessen. Er brennt sich in das Herz ein für immer.
    »Ich werde es ihr klarmachen, mein Junge … auch wenn es nicht richtig ist«, fügte sie schnell hinzu, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, er sähe wirklich grauenhaft aus. »Vielleicht kannst du Weihnachten sogar nach Hause …«
    Sie sagte es, obgleich sie sah, daß es unmöglich war. An seinem Blick erkannte sie, daß er es auch nicht glaubte, aber sich bemühte, sie in diesem Glauben zu lassen.
    »Erzähl von zu Hause«, sagte er und faßte wieder die Hände der Mutter. »Erzähl mir von Köln … wie ihr lebt … erzähl mir von Ursel …«
    Sie nickte. Er hat neuen Lebensmut, dachte sie glücklich. Ich habe ihn ihm gebracht. Und eigentlich ist alles so, wie es früher war in all den Jahren: Ein kleiner Junge liegt krank im Bett, und die Mutter hält seine Hände und erzählt ihm ein Märchen, bis er glücklich einschläft …
    »Es geht uns eigentlich gut«, sagte Frau Schwabe und streichelte Erichs Hände. »Seitdem das Haus zerbombt ist und wir im Keller leben, fühlen wir uns sicher.«
    Und sie erzählte und erzählte und sah an den Augen ihres Sohnes, wie tief sein Glück war und wie stark das neue Leben in ihm emporwuchs.
    Ursula Schwabe saß noch immer in der Wachstube. Ab und zu blickte sie auf die Uhr an der Wand und preßte die feuchten Hände zusammen. Der Unteroffizier bedauerte sie im stillen und musterte verstohlen ihre Beine in den hellen Seidenstrümpfen. Ein gutgewachsenes Püppchen, dachte er. Alles dran, wovon der Landser träumen kann. Aber nur träumen … verdammt noch mal. Da sitzt sie nun, das Zuckerpersönchen, und weiß nicht, daß ihr Mann wie ein Wesen vom anderen Stern aussieht, 's schade um das Mädchen … und dabei ist's genau die Kragenweite, die man immerfort trösten könnte.
    Nach einer Stunde stand Ursula Schwabe auf. »Muß ich hier immer sitzen bleiben?« fragte sie.
    »Natürlich nicht!« Der Unteroffizier rückte seinen Uniformrock gerade. »Sie können es sich auch auf meinem Bett bequem machen.«
    »Was Besseres fällt Ihnen nicht ein?«
    »Das schon. Aber dazu kennen wir uns zu kurz …« Der Unteroffizier grinste breit. Ursula schob die Unterlippe vor und zuckte mit den Schultern.
    »Dumm reden könnt ihr alle! Darf ich Spazierengehen?«
    »Außerhalb des Lazarettes, natürlich! Aber warum wollen Sie denn gehen? Ich habe mich so an Ihren Anblick gewöhnt, daß ich sogar heute nacht davon träumen werde.«
    »Eben darum.« Ursula Schwabe knöpfte ihren Mantel zu und band ein Kopftuch um die langen, blonden Haare. »Wenn meine Schwiegermutter zurückkommt, ich bin gleich wieder da. Ich gehe nur etwas an die frische Luft.«
    Der Wachunteroffizier sah ihr durch das Fenster nach, wie sie schlank und hochbeinig durch das große Tor hinüber zu dem Wäldchen trippelte.
    »Jetzt dienstfrei haben«, sagte er und leckte sich über die Lippen. »Kreuzdonnerwetter – das wär' 'ne Nahkampfspange wert.«
    Ursula folgte dem Pfad entlang der großen Mauer, die Schloß und Park umgab und an die das Wäldchen grenzte. Es war ein schmaler Weg, der durch einen lichten Wald führte, durch verfilztes Unterholz und mit Farnen bestandene Schneisen. Alles sah verlassen und wie vergessen aus, so, als sei Ursula Schwabe seit langem wieder der erste Mensch, der über diesen schmalen Pfad an der Schloßmauer entlang ging.
    Der Pfad führte bergan zu einem Hügel hinauf, von dem aus man einen schönen Blick über das Städtchen und auf einige ferne Weinhänge hatte, auf einen schmalen Fluß, der sich durch die Niederungen und um die Fachwerkhäuser schlängelte, und auf einen hohen Schornstein, der wie ein großer, roter Pfahl in den Himmel stach.
    Ursula blieb stehen und schaute über das Land. Sie kam sich einsam wie nie vor, ausgestoßen und vergessen, in eine Welt hineingesetzt, in der sie umherirren würde, weggerissen von aller Liebe und aller Hoffnung, für die sie bisher gelebt hatte. Jetzt sprach Erich schon über eine Stunde mit seiner Mutter, und sie saß draußen wie ein abgestellter Schirm, so, als gehöre sie nicht mehr zu ihm. Es war ein Gefühl, das ihr Herz wie in einer Presse zusammendrückte. Vielleicht will er mich doch noch sehen, sagte

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