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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und wartete, bis sich eine Stimme meldete. Ohne zu antworten, legte sie schnell wieder auf. »Er ist in seinem Zimmer.«
    »Wer?«
    »Urban. Ich gehe zu ihm. Wann kommt die Kommission?«
    »Morgen gegen 10 Uhr vormittags.«
    »Noch knappe 20 Stunden. Es wird genügen.«
    »Es kann uns den Kopf kosten!« rief Rusch. Er wußte, daß es sinnlos war, Lisa Mainetti zurückzuhalten. Aber ebenso sinnlos war es, das Opfer des eigenen Lebens auf sich zu nehmen, Lisas Leben wegzuwerfen – jetzt, da sich eine neue Zukunft erkennen ließ, eine Zukunft, die mit jedem Tag näher kam, während die Gegenwart immer morscher wurde.
    »Es wird uns wesentlich weniger kosten«, sagte Lisa Mainetti und ging zur Tür. »Gut gerechnet vielleicht nur vierzig Mark! Das sind pro Kopf, den wir retten, nicht einmal sechzig Pfennig. Geht es noch billiger?«
    Professor Rusch hielt das Streichholz, mit dem er sich eine Zigarette anstecken wollte, von sich weg. Er merkte kaum, daß er sich die Fingerspitzen verbrannte.
    »Was hast du vor, Lisa?« fragte er voll Angst um sie.
    »Ich tausche wieder. Weiter nichts! Und ich werde Baumann sagen, daß er die Bunker belegen soll.«
    Sie zog die Tür zu, ehe Rusch weitere Fragen stellen konnte, ging schnell über den langen Gang zum OP, machte einen Umweg zur OP-Apotheke und schloß einen weißen Stahlschrank auf. Ihm entnahm sie zwei längliche, verschlossene Pakete, steckte sie in die Taschen ihres Kittels, verschloß den Schrank wieder sorgfältig und ging dann mit weit ausgreifenden Schritten zum Zimmer Dr. Urbans. Nach kurzem, energischem Klopfen trat sie ein, ehe Urban von drinnen eine Antwort geben konnte.
    Dr. Urban lag auf seinem Bett und las die neueste Nummer des ›Reichs‹. Dr. Goebbels hatte einen schönen Silvesterartikel geschrieben.
    »Kollega!« sagte Urban verwundert. »Schon wieder bei mir? Sie werden doch nicht meinen nordischen Typ entdeckt haben?«
    Lisa Mainetti sah sich im Zimmer um. Es war nüchtern wie alle Arztzimmer in Bernegg. Nur das Führerbild unterschied es von ihrem eigenen Zimmer. Und ein süßlicher Duft war in ihm, ein Geruch von Weiblichkeit, der nicht zu Urban paßte.
    »Sie hatten Besuch?« fragte Lisa. Urban erhob sich von seinem Bett. Er sah ein wenig übernächtig und verfallen aus. Seine Haut war grau und faltig.
    »Wieso?« fragte er zurück.
    »Es riecht nach einer Frau.«
    »Immerhin sind Sie im Zimmer, Kollega.«
    »Reden Sie keinen Blödsinn! Ich habe dieses Parfüm schon einmal gerochen, und ich habe mich damals schon vor ihm geekelt. Noch mehr vor der Person, die sich damit einhüllte, anscheinend, um ihre dreckige Seele damit zu verdecken. Bei Ihnen riecht es penetrant nach Irene Adam.«
    Dr. Urban schob die Unterlippe vor. Er strich sich die Haare glatt und zog den heruntergeschobenen Schlips hoch.
    »Sie sind sicherlich nicht gekommen, um Parfümanalysen bei mir vorzunehmen«, sagte er ironisch. »Oder haben Sie das Bedürfnis, sich bei mir über Moral auszusprechen? Ich könnte dann antworten, daß ein Gespräch vor dem Spiegel nützlicher wäre …«
    Dr. Urban grinste breit. Sie hat's verstanden, dachte er. Was einem Chefarzt recht ist, sollte man bei einem Oberarzt nicht für verwerflich halten.
    »Es ist etwas anderes«, sagte Lisa Mainetti. Sie schluckte die Frechheit Urbans, ohne mit der von ihm erwarteten Schärfe zu reagieren. Das wunderte ihn, und er zog die Augenbrauen hoch.
    »Sie machen es spannend, Kollega.«
    Lisa legte die beiden verschlossenen Pakete auf den Tisch. Sie waren in neutralem Papier verpackt. Sie selbst hatte es getan und die Pakete versiegelt, ehe sie sie in den Apothekerschrank gelegt hatte.
    »Wissen Sie, was das ist?« fragte sie.
    »Nein! Woher? Es sieht aus wie Konfektschachteln.«
    »Es sind 20 Ampullen Morphin …«
    Dr. Urban sah Lisa entgeistert an, dann glitt sein Blick zurück zu den beiden Päckchen.
    »Was soll das?« fragte er. Seine Stimme hatte plötzlich einen heiseren Klang. Er stieß die Worte mühsam heraus, als sei er drei steile Treppen hinauf gelaufen.
    »Wir haben einmal getauscht: Ihr Schweigen gegen Morphium. Ich biete Ihnen einen neuen Tausch an …«
    »Sieh an!« Urban trat rückwärts an sein Bett und setzte sich. »Ist eine neue Schweinerei im Gange?«
    »Ich biete Ihnen zehn Ampullen MO für die Herausgabe aller Durchschläge Ihrer Tauglichkeitsliste der Verwundeten«, sagte Lisa unbeirrt, »und weitere zehn Ampullen MO, wenn Sie ab heute abend bis übermorgen früh Urlaub nehmen und

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