Das geschenkte Leben
du ein liebes Mädchen bist. Möglich, daß er es vorzieht, wie ein Vater zu dir zu sein. Dann werden wir brav sein und uns von ihm leiten lassen.)
Sie seufzte. (Ich weiß nicht. Jake!)
(Sei hilflos und weiblich, Joan; Jake wird den Rest tun.)
*
Dr. Garcia stürmte ins Zimmer und baute sich vor dem Bett auf. »Was höre ich da über ein Bad? Ich dachte, ich hätte klargemacht, daß Sie die Dinge nicht überstürzen dürfen.«
(Laß dich nicht auf eine Diskussion ein, Joan!) (Schau zu, wie ich ihn um den Finger wickle!) »Oh, Doktor, Sie haben mich so erschreckt.«
»Was? Wie?«
»Einfach hereinzukommen, ohne anzuklopfen. Ist das etwa nett?«
Garcia schaute verdutzt drein. »Miss Smith, ich bin jetzt seit mehr als einem Jahr hier und habe diesen Raum immer ohne irgendwelche Formalitäten betreten. Verstehe ich recht, daß Sie das plötzlich als unhöflich empfinden? Nach all dieser Zeit?«
»Das ist nicht der Punkt, Doktor. Als Sie zuerst herkamen, mußten Sie sich um einen hilflosen alten Mann kümmern. Danach unterstützten Sie Dr. Hedrick bei einer gelähmten Patientin, die meist auch noch bewußtlos war – und ich weiß die Mühe zu schätzen, die Sie sich dabei gegeben haben. Doch die Dinge ändern sich. Jetzt muß ich lernen, eine Frau, und wenn möglich, eine Dame zu werden. Das ist nicht leicht. Möchten Sie mir nicht dabei helfen, indem Sie mir gegenüber die gleiche Höflichkeit aufbringen wie bei anderen Damen?«
Garcia errötete leicht. »Ein Arzt hat keine Zeit für Formalitäten.«
(Schlag nochmal zu, Liebes! Er wankt schon.) (Mache ich!) »Doktor, wenn ich in Gefahr wäre, würde ich natürlich erwarten, daß Sie sich beeilen, ich zähle sogar darauf. Aber jetzt kamen Sie her, um mir zu sagen, daß ich nicht baden darf. Das ist doch wohl kein Notfall. Ich verlange wirklich nicht viel von Ihnen. Nur daß Sie diesen Raum nicht als das Krankenzimmer eines alten Mannes betrachten, sondern als das Schlafgemach einer Dame. Um mir zu helfen, bitte?«
»In Ordnung, Miss Smith«, sagte Dr. Garcia steif. »Ich werde es mir merken.«
»Danke sehr. Übrigens, ich heiße jetzt ›Joan Smith‹; als ›Johann‹ kann ich schließlich nicht mehr auftreten. Sie könnten mich ›Miss Joan‹ nennen, um mir zu helfen, mich daran zu gewöhnen. Oder einfach nur ›Joan‹, denn meinem Arzt gegenüber möchte ich nicht unnötig formell sein. Wirklich nicht. Es geht mir nur um diese winzigen Formalitäten, die mir helfen können, mich an mein neues Dasein zu gewöhnen. Werden Sie mich ›Joan‹ nennen?«
Er brachte ein gezwungenes Lächeln zustande. »In Ordnung – Joan.«
Sie schenkte ihm Eunice’ schönstes Lächeln. »Das klingt nett. Und Sie sind jederzeit willkommen, Doktor, ob Sie nun aus beruflichen Gründen kommen oder nur zu einem Besuch. Vergewissern Sie sich nur bei der Schwester, daß ich bereit bin, Herrenbesuch zu empfangen. Sie wissen schon, was ich meine. Lippenstift und solche Sachen.« Sie stützte sich auf den Ellbogen und befeuchtete ihre Lippen. »Es ist ungewohnt, so etwas zu benutzen. Ist er ordentlich aufgetragen? Sieht es korrekt aus?«
»Sie sehen sehr gut aus!«
(Du bist die geborene Verführerin. Aber wo bleibt der Schlag?) (Warte es ab. Ich bin noch nicht fertig mit ihm.) »Danke sehr. Und jetzt erzählen Sie mir, warum ich kein heißes Schaumbad nehmen darf, damit ich mich auch gut fühle. Ich werde Ihren Anweisungen folgen, Doktor, aber ich würde sie auch gerne verstehen. Können Sie es mir erklären, ohne allzuviele medizinische Fachausdrücke zu benutzen?«
»Nun … Joan, mein Einwand bezieht sich auf das Bad selbst. Es kommt immer wieder vor, daß sich die Menschen ein Bein brechen oder den Schädel einschlagen, weil sie in der Badewanne ausrutschen. Sie haben noch nicht einmal gelernt, aufzustehen, vom Laufen ganz zu schweigen.«
»Das ist wahr.« Joan warf die Bettdecke zurück, schwang die Beine über die Kante und setzte sich aufrecht hin. »Mal sehen, ob ich’s kann. Helfen Sie mir, Doktor?«
»Legen Sie sich hin!«
»Muß ich? Ich fühle mich gut.«
»Miss Smith. Joan, verdammt nochmal, also gut. Legen Sie sich hin, während ich die Schwester rufe. Dann stützen wir Sie von beiden Seiten und Sie können versuchen, aufzustehen. Wenn Sie gemerkt haben, wie schwach und hilflos Sie noch sind, erwarte ich, daß Sie sich wieder ins Bett legen und auch dort bleiben.«
»Ja, Doktor«, sagte sie und legte sich wieder hin.
Winnie tauchte wieder auf. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher