Das geschenkte Leben
ich sehe die Vorteile durchaus. Aber wenn du sie neben deinem Schlafzimmer unterbringst, liegt sie schneller in deinem Bett, als du ›Sappho‹ sagen kannst.)
»Es würde wirklich meine Wohnung sein? Ich könnte Besuch empfangen und alles?«
»Natürlich, Winnie. Das Hauspersonal unter Cunningham würde saubermachen und so weiter. Das Frühstück ans Bett bringen, was immer. Oder niemals hineingehen, wenn du es so vorziehen würdest.«
»Es klingt himmlisch, Joan. Ich teile ein Zimmer mit zwei anderen Mädchen. Die Miete ist so hoch, daß eine allein sie nicht bezahlen könnte, weil das Zimmer in einer bewachten Enklave ist. Sicher ist es dort – aber man hat nie seine Ruhe.«
»Nun, Winnie – wie denkst du darüber? Wirst du bei mir bleiben? Als Pflegerin, als Gesellschafterin, als Privatsekretärin, oder wie immer du es nennen willst.«
»Als Kammerzofe, würde ich sagen. Wenn ich deine persönliche Dienerin sein soll, dann möchte ich, daß die anderen hier im Hause es wissen und nicht denken, ich hielte mich für etwas Besseres als sie.«
*
Einige Minuten später, als sie in ein Gespräch über Kleider vertieft waren, klopfte es, und Jake Salomon kam herein. Winnie zog sich zurück, und der Anwalt beugte sich über Joans Hand. »Wie fühlst du dich?« fragte er.
»Enttäuscht«, antwortete Joan. »Weil mein ältester und liebster Freund keine Zeit hat, an meinem ersten Tag außerhalb des Bettes mit mir zu essen. Aber sonst fühle ich mich gut. Ein wenig schwach, doch das war zu erwarten.«
»Ich hoffe, du übertreibst es nicht?«
»Nein. Herzschlag und Atmung werden überwacht, und wenn etwas nicht in Ordnung wäre, würde jemand kommen und mich ins Bett stecken. Wirklich, es geht mir gut, Jake. Und schließlich kann ich nicht zu Kräften kommen, wenn ich im Bett bleibe. Aber wie geht es dir, mein alter Freund? Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht.«
»Oh, mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe mich nur selbst zum Narren gemacht, Johann.«
»Du hast dich nicht zum Narren gemacht … und ich bin sicher, Eunice weiß das zu schätzen.« (Sei vorsichtig, Boß!) (Reg dich ab.) »Du hättest ihr kein schöneres Kompliment machen können als mit diesen ehrlichen Tränen.« Joan spürte, daß ihr selbst die Tränen kamen, machte aber keine Anstalten, ihren Lauf zu unterdrücken. »Sie war eine süße und liebe Dame, Jake, und es berührt mich mehr, als ich ausdrücken kann, daß du sie ebenso geschätzt hast wie ich. Aber bitte, setz dich, Jake – wenn auch nur für einen Moment. Ich muß dich etwas fragen.«
»Nun … also gut. Ich kann nicht lange bleiben.«
»Ein Glas Sherry? Doktor Garcia sagt, ich dürfe dann und wann ein Gläschen trinken, und ich finde, daß ich es brauche. Spanischer Sherry, hell und trocken. Kannst du für uns einschenken?«
Joan wartete, bis der Rechtsanwalt ihre Gläser gefüllt hatte und sich setzte. Sie prosteten einander schweigend zu. Joan nippte, stellte ihr Glas ab und sagte: »Jake …«
»Ja … Johann?«
»›Joan‹, bitte – ich kann nicht länger Johann sein. Jake, du weißt wahrscheinlich, daß ich nie erwartete, eine solche Operation zu überleben. Es war als ein Mittel gedacht. Ein legales Mittel.«
»Ja, Joha… Ja, Joan, ich wußte es. Deshalb half ich.«
»Es war der großmütigste Akt von Freundschaft, den ich je erlebt habe. Wie nennen die Japaner den Freund, der hilft, wenn es notwendig ist, zu sterben? Ich weiß es nicht mehr. Es ist auch nicht wichtig. Jake, sieh mir in die Augen. Du weißt, tief in deinem Herzen, daß ich lieber tot sein würde als durch diesen unglaublichen Umstand weiterzuleben. Ja?«
Salomon nickte, aber er sagte nichts.
»Auf ihre Kosten lebendig zu sein – das ist ein schrecklicher Gedanke, Jake. Man beginnt sich selbst zu hassen.«
Salomon hob seinen Blick und sah ihr fest in die Augen. »Ja, Joan. Ich weiß es. Aber es war kein Fehler von dir. Dich trifft keine Schuld. Du darfst dich nicht selbst hassen. Eunice würde es nicht wollen.«
»Ich weiß es. Aber ich werde von einer Frage bedrückt, auf die ich eine Antwort haben muß. Jake, gibt es eine Möglichkeit, daß Eunices Mann etwas mit ihrem Tod zu tun hatte? Du hattest in meinem Auftrag einen Preis ausgesetzt. Dieses Blutgeld – hat es ihn verlockt? (Boß, du redest Unsinn. Ich weiß es!) (Tut mir leid. Mehr als du denkst. Aber ich muß den Beweis haben.) Jake? Habe ich ihn verleitet?«
Der Anwalt schüttelte seinen Kopf. »Du kennst die Umstände
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