Das Gesetz der Freiheit
„Ich, ich habe das Geschoß abgefeuert, und zwar zu früh! Aus ist es mit dir, aus und vorbei! Verstehst du mich? Du bist verloren, besiegt! Vorbei, aus!“ Er lachte schallend auf.
„Jawohl, ich habe dich besiegt, Dell Weston. Und nun werde ich Schluß machen und dich töten!“
Blitzschnell stürzte er vor, in einem gewaltigen Sprung kam er auf Dell zu.
Dell duckte sich, und Benders Hände griffen verzweifelt ins Leere. Da riß Dell seine Kraft zusammen, richtete sich unter wilder Anstrengung auf, packte Bender bei den Schultern und warf ihn mit unwiderstehlichem Ruck die Treppe hinunter.
Bender schrie auf. Mit ausgestreckten Armen und Beinen blieb er zu Füßen der baufälligen Treppe liegen. Dell sah ihm nach, und auf den ersten Blick wußte er, daß der Mann tot war.
Er konnte kein Mitleid mit ihm haben!
Lorna kam auf ihn zugelaufen und vergrub schluchzend ihr Gesicht an seiner Schulter. Dell stand bewegungslos und starrte verzagt in den kleinen Bildschirm des Elektroskops und beobachtete, wie das winzige Wölkchen des Geschosses höher und höher in den tiefblauen Himmel stieg. Es stieg und stieg – und auf einmal senkte es sich wieder herab, fiel und fiel; und der Sprengkopf war noch heil, war nicht detoniert, der Zünder hatte keinen Anlaß gefunden, die schwere Granate in verderbenbringendes, glühendes Gas zu zerlegen. Und die Granate fiel tiefer und tiefer und würde irgendwo mitten im unergründlichen Ozean oder im Sandmeer einer Wüste landen. Wo sie endlich zu Boden ging, war Dell vollkommen gleichgültig. Er wußte nur eines: sie hatten es versucht – und waren gescheitert.
Verzweifelt stöhnte er auf und versuchte gleichzeitig, die schluchzende junge Frau zu trösten. Er mochte nicht daran denken, wie fürchterlich, wie vergeblich alles gewesen war. Er wandte sich um – und erstarrte. Bewegungslos schaute er zur Tür, und alle seine Muskeln spannten sich wie zum wilden Sprung.
In der Tür stand ein Unparteiischer und lächelte.
Wie alle anderen seiner Gefährten war auch er hochgewachsen und ganz in Grau gekleidet. Er lächelte ihnen zu und trat ins Zimmer. Nur einen kurzen Blick warf er auf die zusammengesunkene Gestalt am Armaturenbrett, dann blickte er Dell an.
„Warum habt ihr versucht, unser Raumschiff zu zerstören?“ Er stellte die Frage ganz gleichmütig. Und als die beiden keine Antwort gaben, lächelte er wieder. Als hätte er ihre stumme Frage verstanden, schüttelte er den Kopf.
„Nein, in eurer Gruppe war kein Verräter. Als wir erst einmal einen Ansatzpunkt hatten, war es gar nicht mehr so schwierig, den Rest zu erraten. Natürlich stellten wir mit unseren Peilgeräten mühelos die gewaltige Menge radioaktiven Materials fest; schließlich waren wir immer auf der Hut und gaben acht auf alle verdächtigen Vorfälle auf der Erde. Nun sagen Sie mir doch, warum Sie unser Schiff zerstören wollten.“
„Sie – Sie geben es zu? Sie geben zu, ein fremdes Wesen zu sein?“
„Warum sollte ich das denn nicht zugeben?“ Noch immer lächelnd, blickte sich der Unparteiische im Zimmer um. „Wir stammen nicht von diesem Planeten hier, aber Fremde im eigentlichen Sinne des Wortes sind wir keineswegs. Wir gehören einer Menschenrasse an, genau wie Sie; der einzige Unterschied zwischen Ihnen und uns besteht darin, daß wir erwachsen und reif sind, während Sie sich noch im Zustand der Jugend befinden. Diese Ausdrücke meine ich hier natürlich rein soziologisch, vom Standpunkt der allgemeinen Entwicklung aus.“
„Und warum sind Sie in unsere Welt eingedrungen? Warum haben Sie die Erde heimlich überwältigt?“ Dell blickte den hochgewachsenen Mann an; wieder empfand er die seltsame Stille, die er noch immer in Gegenwart eines Unparteiischen gespürt hatte. Er war neugierig, hatte aber nicht die geringste Angst, und all sein Haß war verflogen.
„Eingedrungen? Überwältigt?“ Der Fremde schüttelte den Kopf. „Das ist doch nicht Ihr Ernst?“
„O doch, es ist mein voller Ernst! Warum hätten Sie sonst über die ganze Erde das System Ihrer geheimnisvollen Strahlungen gelegt! Warum haben Sie den Denkvorgang aller Menschen auf der Erde verwirrt und in Unordnung gebracht? Die Energie, die dazu notwendig war, haben Sie mit Hilfe Ihres Raumschiffes herbeigeschafft.“
„Sie wissen also davon?“ Der Unparteiische schien ehrlich erfreut über Dells Worte. „Ausgezeichnet. Wir waren schon lange neugierig, wie lange es wohl dauern würde, bis Sie dahinterkamen, was geschehen
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