Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
ansonsten so bedrückenden Tag mit Schönheit zu erfüllen.
2
»Ich würde Sie gern irgendwann einmal malen – natürlich nur, wenn Sie Interesse haben«, sagte Alex, während sie den breiten Boulevard überquerten.
»Malen, mich?«, erwiderte sie und zog ganz leicht die Brauen hoch. Es war ein berückend feminines Mienenspiel, das zu einer Erklärung einlud.
»Ich bin Künstler.«
Mit einem Blick auf den Straßenverkehr, der linker Hand vor der Kreuzung zum Erliegen gekommen war, vergewisserte er sich, dass es nicht noch einmal skrupellose Baufahrzeuge auf sie abgesehen hatten. Doch da nun ein Streifenwagen mit kreisenden Lichtern am Rinnstein stand, fuhr jeder alsbald vorsichtig weiter.
Er war froh, die Piratenklempner endlich hinter sich zu lassen. Offenbar hegten diese Typen einen Groll gegen ihn und die Lady. Alex verspürte einen kurzen Anflug von Ärger angesichts der Ungerechtigkeit ihrer streitsüchtigen Haltung ihm gegenüber.
»Dann malst du also Porträts?«, fragte sie.
Alex zuckte mit den Achseln. »Gelegentlich.«
Porträts waren nicht sein Spezialgebiet, brachten ihm aber ab und zu ein wenig Geld ein. Und wenn er die Gelegenheit bekäme, diese Frau zu malen, würde er sogar umsonst arbeiten. In Gedanken analysierte er bereits die Schwünge und Flächen ihrer Gesichtszüge, versuchte sich vorzustellen, ob es ihm jemals gelingen könnte, ein so bezauberndes Gesicht angemessen wiederzugeben. Er würde ein solches Werk niemals beginnen, solange er nicht das sichere Gefühl hatte, es perfekt hinzubekommen.
Eine Frau wie diese wollte er nur in absoluter Vollkommenheit wiedergeben, sie auch nur im Mindesten zu verändern war schlichtweg undenkbar.
Er deutete zu dem niedrigen, eleganten Gebäudekomplex hinüber, der hinter dem schillernden Laub gerade eben zu erkennen war. »Ich habe ein paar Arbeiten von mir in der Galerie.«
Sie blickte zu der angezeigten Stelle, beinahe so, als erwartete sie, die Galerie selbst dort zu sehen.
»Eigentlich bin ich gerade auf dem Weg dorthin. Wenn Sie einige meiner Arbeiten sehen möchten, die Galerie liegt ein kleines Stück hinter dem Regent-Juweliergeschäft …«
Seine Stimme verstummte. Plötzlich kam ihm seine Aufschneiderei albern vor. Eine Frau wie sie interessierte sich wahrscheinlich nur für das exklusive Juweliergeschäft oder die Boutiquen. Warum er dies vermutete, wusste er nicht – schließlich trug sie keinerlei Schmuck. Wahrscheinlich befürchtete er, dass sie sich gar nicht für Kunst interessierte – jedenfalls nicht für seine.
»Ich würde deine Arbeiten gerne sehen.«
Er sah zu ihr hinüber. »Wirklich?«
Sie nickte und strich sich eine wellige, blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.
Alex spürte das stumme Vibrieren seines Handys in seiner Hosentasche, das ihm den Eingang einer weiteren SMS ankündigte. Innerlich seufzend überquerte er schnurstracks den nahezu verlassenen Parkplatz. Es war früher Vormittag, die meisten Leute kamen erst gegen Mittag. Ein paar Dutzend teure Autos in glänzenden gedeckten Farbschattierungen von Silber, Rot und Bernstein parkten in einer Gruppe rings um den Haupteingang.
Nach dem Eingang der Nachricht hörte sein Handy auf zu vibrieren. Ganz bestimmt wieder Bethany. Bevor er sie einige Wochen zuvor kennen gelernt hatte, hatte er nicht einmal gewusst,
dass sein Telefon Textnachrichten empfangen konnte. Nachdem er zum zweiten Mal mit ihr ausgewesen war, war sie dazu übergegangen, ihm SMS zu schicken. Sie waren von quälender Belanglosigkeit. Er las sie kaum noch. Gewöhnlich erkundigte sie sich nach Dingen wie: ob er denn auch an sie denke. Dabei kannte er sie kaum. Was sollte er darauf erwidern? Dass sie ihm kein einziges Mal in den Sinn gekommen war?
Ohne auch jetzt weiter an sie zu denken, hielt er der Frau die gläserne Schwingtür auf. Es war nicht die Sorte Einkaufspassage, die sich an ein finanziell zurückhaltendes Publikum richtete. Sie schlüpfte mit einer Eleganz und einem Selbstvertrauen durch die Eingangstür, wie sie nur aus der Vertrautheit mit solchen Orten entstand.
Bevor sich die Tür wieder schloss, warf Alex einen Blick über den Parkplatz, durch die den Straßenrand säumenden Linden zu dem weißen Lastwagen hinüber, der noch immer vor dem Streifenwagen am Bordstein stand. Die Männer im Fahrerhaus konnte er nicht erkennen.
Als sie die gedämpfte, eindrucksvolle Abgeschiedenheit im Innern betraten, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass seine Begleiterin kaum mehr als
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