Das Gesetz der Vampire
so gäbe es bei zehn Zifferntasten mindestens tausend Variationsmöglichkeiten. Selbst mit der Geschwindigkeit, mit der wir uns bewegen können, ist es unmöglich, den Code innerhalb der Zeit zu knacken, die uns bleibt, bis die Sicherheitsleute im Überwachungsraum bemerken, dass eine Kamera den falschen Winkel anzeigt und nachsehen kommen, was da los ist.«
»Scheiße!«, entfuhr es Stevie. »Und bis auf die Luken zum Dachboden, die man wohl für nicht einbruchgefährdet hält, sind alle Fenster mit Alarmanlagen gesichert.«
Sie dachte kurz nach, griff schließlich zu ihrem Handy und wählte eine Nummer. Nur wenige Sekunden später meldete sich am anderen Ende die ungehaltene Stimme einer Frau.
»Verdammt, Stevie, wenn das nicht wirklich wichtig ist, trete ich dich in den Arsch! Du unterbrichst gerade meine Abendmahlzeit.«
»Sorry, Sam, aber es ist dringend. Kannst du sofort kommen? Und ich meine sofort.«
»Was gibt es?«
Ashton zuckte erschrocken zusammen, als die Frau aus dem Nichts heraus vor ihnen auftauchte, und ihr Handy zuklappte. Sie war vollkommen nackt und strömte einen intensiven Duft nach Sex aus, der Ashton augenblicklich erregte. Unwillkürlich trat er einen Schritt auf sie zu. Sie musterte ihn mit einem eindeutig hungrigen Ausdruck. Obwohl sie ihr schwarzes Haar beinahe militärisch kurz trug, war sie wunderschön.
»Würdest du dir bitte was anziehen, Sam«, forderte Stevie und zog ihre Skimaske vom Kopf.
Ashton tat es ihr nach und fragte sich, woher die Frau hier irgendwelche Kleidung bekommen wollte. Er stellte fest, dass er unbewusst noch einen weiteren Schritt auf sie zu gemacht hatte. Übergangslos verschwand der emotionale Sog, der ihn unwiderstehlich zu ihr zog, und er machte hastig zwei Schritte rückwärts. Die Frau schnippte grinsend mit dem Finger und war im nächsten Augenblick in Jeans, T-Shirt, Lederjacke und Sneakers gekleidet.
»Toller Trick«, musste Ashton zugeben und fragte sich, wie sie das gemacht hatte.
»Kein Trick, Junge, sondern Magie. Also was liegt an, Stevie? Ich will schnellstmöglich zu meinem Leckerbissen zurück. Ein wirklich appetitliches Kerlchen und so geil.« Sie leckte sich genießerisch die Lippen.
»Sam ist ein Sukkubus«, fühlte sich Stevie bemüßigt zu erklären.
»Ein – was?«
»Eine Dämonin, die sich vom Sex ernährt«, antwortete Sam und betrachtete Ashton wohlgefällig. »In früheren Zeiten nannte man uns ‚Buhlteufel’. Das heutige Schimpfwort lautet ‚Sexvampire’, was die Sache trotzdem recht genau trifft.«
»Komm bloß nicht auf dumme Gedanken, Sam«, warnte Stevie und stellte sich demonstrativ zwischen sie und Ashton. »Wir müssen in das Büro, das auf diesem Gang vier Türen entfernt ist. Leider sind Tür und Fenster gegen unbefugtes Eindringen gesichert.«
»Wenn es weiter nichts ist ...«
Die Dämonin fasste Stevie und Ashton am Handgelenk – und im nächsten Moment befanden sie sich in einem luxuriös eingerichteten Büro. Ashton zuckte erschreckt zusammen, während Stevie an diese Fortbewegungsmethode gewöhnt zu sein schien. Er fragte sich, woher eine Vampirin wohl eine Dämonin kennen mochte, verschob die Beantwortung dieser Frage aber auf später. Sein Geruchssinn sagte ihm, dass sie sich hier im richtigen Büro befanden, denn es roch definitiv nach Jonathan Granger. Außerdem nahm er den Geruch von Wallace Cramer und eindeutig auch den von Morton Phelps wahr.
»Phelps war hier«, teilte er Stevie unverzüglich mit.
»Das war wohl zu erwarten.«
»Es geht mich ja nichts an«, meldete sich Sam zu Wort, »aber was sucht ihr hier eigentlich?«
»Das geht dich in der Tat nichts an, Sam. Wächterangelegenheiten.«
Sam schnaufte sarkastisch. »Komm schon, Stevie! Ohne mich wärt ihr nie hier reingekommen, und ohne mich kommt ihr auch nicht wieder raus; zumindest nicht unbemerkt. Also habe ich wohl ein Recht zu erfahren, worum es geht. Immerhin hänge ich dank dir jetzt mit drin in dieser illegalen Aktion, die nicht nur einen einzigen Straftatbestand erfüllt, sondern gleich ein halbes Dutzend. Also?«
Stevie zögerte, zuckte aber schließlich mit den Schultern und nickte zu Ashton hinüber. »Ashton hat zufällig erfahren, dass sich ein hochrangiges Mitglied der Vampirgemeinschaft mit dem Inhaber dieses Büros verbündet hat, um dessen Konkurrenten um den Posten des Firmenpräsidenten zu beseitigen. Wir haben den dringenden Verdacht, dass hinter dieser Aktion noch sehr viel mehr steckt und suchen hier nach
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